Live vor Ort

"So erlebte ich Schüssels Abgang"

05.09.2011

ÖSTERREICH-Reporterin Katharina Nagele war beim Rückzug des Alt-Kanzlers live dabei. Auf oe24.at schreibt Sie, wie Sie die Rücktritts-Rede erlebte.

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© APA/Bruna
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Eine Viertelstunde vor Beginn der Pressekonferenz. Die Hitze steht in dem kleinen Raum in der PR-Agentur von Schüssels ehemaliger Pressesprecherin Heidi Glück im ersten Wiener Gemeindebezirk. Die letzten Sitzplätze werden in Beschlag genommen, wer jetzt noch kommt, muss stehen. Untereinander tauschen die Journalisten Einschätzungen aus: „Wird das jetzt Schüssels-Rücktritts-PK?“ So recht glauben kann das niemand.

Schüssel ohne Reue
Mit einem Lächeln auf den Lippen betritt Schüssel den Raum, trotz tropischer Temperaturen im schwarzen Anzug mit Krawatte. Geduldig wartet er, bis die Mikrofone auf ihn ausgerichtet sind, bevor er sagt: „Ich habe soeben ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf darüber informiert, dass ich mein Abgeordnetenmandat mit Ende der Woche zurück lege. Damit will ich dazu beitragen, eine objektive, von jeder politischen Beeinflussung unabhängige Aufklärung der Justiz zu erleichtern.“ Wer jetzt ein Schuldbekenntnis erwartet, ist aber falsch gewickelt.

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Fünf Minuten lang zählt Schüssel die Wohltaten der von ihm 2000 bis 2006 geführten ÖVP-FPÖ-Regierung auf: Schuldenabbau, Universitätsreform, Familienpolitik. „Im Jahr 2000 waren wir auf Platz 14 von 15 EU-Staaten, was den Staatshaushalt betrifft. Noch hinter Griechenland.“ Sein Schützling Karlheinz Grasser sei ein guter Finanzminister gewesen. Was Grasser nach seiner Amtszeit getan habe, habe dieser allein zu verantworten. „Ich lasse mich nicht für diese Vorgänge verantwortlich machen.“

„Manches wird übertrieben dargestellt“
Tränen des Abschieds gibt es von Schüssel nicht. Auf die scharfen Fragen der Journalisten reagiert er - ganz der Alte - teils mit schulmeisterlicher Herablassung: „Sie müssen schon ins Archiv schauen. Die Vorgänge betreffen nicht meine Amtszeit.“ Schärfere Gesetze gegen Korruption brächten auch nichts. „Dass mein Freund Wilhelm Molterer eine kleine Spende für einen Fußball-Verein erwirken wollte, dafür ist Korruption nicht der angemessene Ausdruck.“

Schließlich verabschiedet sich Schüssel mit einem „Plädoyer für die parlamentarische Demokratie“. Das Vertrauen in die Politik, in EU-Institutionen, Parteien und Gewerkschaften sei erschüttert. „Das kann zum Ruf nach einem starken Mann führen.“ Doch die Schuld dafür sieht er offenbar nicht bei sich selbst, sondern bei den Medien: „Manches wird übertrieben dargestellt und untergräbt daher dieses notwendige Vertrauen.“ Ob er selbst denn gar keine Fehler gemacht habe? „Das werden sie schon beurteilen, dafür werden Sie schließlich auch bezahlt.“

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