Karl-Löbl-Kritik

Sechs Personen suchen die Liebe

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Größter Erfolg für Anja Har­teros und Händels "Alcina“ in Wiener Staatsoper. 

Die Spektakel von heute finden bei Popkonzerten statt. Im Barock veranstaltete man sie im Theater oder im eigenen Schloss. In einem solchen beginnt auch die Inszenierung. Zur Ouvertüre wählen sich die Gäste ihre Kostüme, dann spielen sie das neue Stück Alcina. Also Theater auf dem Theater. Das funktioniert, weil Regisseur Adrian Noble mit Solisten, Statisten, Tänzern, Bühnenmusikern die Atmosphäre eines solchen Spektakels glaubhaft imitiert.

Emotionalität
Alcina ist die Geschichte von sechs Personen, die nach Liebe suchen. In 26 Arien und verbindenden Rezitativen werden von der Verzauberung bis zur wütenden Eifersucht alle Situationen reflektiert. Emotionen ersetzen die Handlung. Weil Händels Musik diese Vielfalt der Empfindungen auf ganz wundersame Weise spiegelt, gerät die vierstündige Aufführung zu einem außergewöhnlich geschmackvollen, spannenden Theaterabend.

Saftiger Sound
Für Marc Minkowski und sein Ensemble Les Musiciens du Louvre ist der sogenannte Originalklang kein Dogma. Gefühlen wird Raum gegeben, die Musik klingt vital und reich an Pointen, der Rhythmus pulsiert, die Akustik der Staatsoper macht den Sound saftig. Sensationell die Koloratursicherheit des Knabensoprans Shintaro Nakajima. Die sechs "erwachsenen“ Solisten ergeben ein gutes Ensemble. Veronica Cangemi ist dank perfekter Kombination von Witz und Virtuosität besonders erfolgreich, Vesselina Kasarova mit vokaler und gestischer Übertreibung besonders auffallend. Ereignishaft Anja Harteros, die vokale Artistik mit größter Natürlichkeit verbindet. Ihre Alcina ist nicht nur eine Zauberin, sondern auch eine große Liebende. Ein Riesenerfolg.

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