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Rieds Drechsel nimmt Abschied

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Mit Herwig Drechsel tritt am Sonntag ein lebendes Rieder Fußball-Denkmal ab. Der 37-Jährige, dessen Name seit 15 Jahren als Synonym für Bundesliga-Kick im Innviertel steht, wird gegen Austria Kärnten das letzte Heimspiel für die "Wikinger" bestreiten, vielleicht ist es auch ein Bundesliga-Abschied. Der begnadete Linksfuß galt als Herr der Standardsituationen und Spielmachertyp alten Zuschnitts.

Drechsel begegnet der Zäsur vorerst mit Gelassenheit: "Ich habe noch gar nicht realisiert, dass es nach einer solchen Ewigkeit ein Ende hat. Ich werde es erst merken, wenn das Training wieder beginnt und ich nicht mehr hinfahre", sagte Drechsel, der (exklusive Sonntag) 358 Bundesligapartien absolviert und dabei 88 Tore erzielt hat. Seit Jänner 1995 pendelt er fast täglich zwischen seiner Heimatstadt Linz und dem Innviertel hin und her. Als ihn der damalige Trainer Klaus Roitinger vom FC Linz holte, war die innige Liaison aber keineswegs abzusehen.

Tatsächlich versuchte sich Drechsel auch an einer anderen Adresse. In der Saison 1998/99 wurde er Ried zum einzigen Mal untreu und dafür beim GAK prompt bestraft. "Ich war nicht der Wunschspieler von Coach Klaus Augenthaler, das war schnell ersichtlich." Zwar gab es in dieser Saison einen Trainerwechsel - doch der entpuppte sich noch am selben Tag als Scherz des deutschen Komikers Hape Kerkeling.

Zu lachen hatte Drechsel in Graz nicht viel, erst die postwendende Rückkehr nach Ried ließ den Mittelfeld-Motor wieder aufblühen. "In Ried war vorher alles in Ordnung, und in Ried war auch nachher alles bestens", sagte Drechsel. Am "Dorfclub" schätzt er die "familiäre Atmosphäre und die Nähe zu den Fans", auf große Trophäen musste er als "Wikinger" allerdings verzichten. Einziger Titel bleibt der Cupsieg 1998, 2007 war man als Liga-Zweiter hinter Salzburg freilich gefühlter Meister. "Natürlich denkt man daran, wie es bei anderen Clubs gewesen wäre, aber im Nachhinein bin ich zufrieden", sagte Drechsel, den auch Blessuren immer wieder zurückwarfen: "Wenn es am besten gelaufen ist, sind Verletzungen gekommen."

Die große Liebe, die ihm in Ried zukam, wurde anderswo oftmals aufs Korn genommen - zumal im Karriereherbst. Während ihn manche in Österreichs Kader für die Heim-EM 2008 reklamierten, charakterisierten ihn andere gern als lauffaules "Dickerl", dessen anachronistische Spielweise im modernen Fußball höchstens zur historischen Fußnote tauge. "Natürlich kränkt einen das", erinnerte sich Drechsel, der sich vor der Heim-EM wohl tatsächlich kleine Hoffnungen auf eine Einberufung ins ÖFB-Team gemacht hatte. Was bleibt, sind zwei Kader-Nominierungen unter Otto Baric im Jahr 2001. "Es ist mit Sicherheit nicht einfach, aus Ried zum Teamspieler zu werden", befand Drechsel.

Reif für die Pension fühlt er sich aber noch nicht. "Ich will auf jeden Fall weiterspielen, bin fit und will meine Freude am Fußball noch ausleben", sagte Drechsel, dem "mehrere Angebote" vorliegen sollen. Ob der Abschied aus Ried auch der aus Österreichs höchster Spielklasse ist, bleibt vorerst offen. "Es muss nicht unbedingt die Bundesliga sein", sagte Drechsel.

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