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Knigge für Neureiche um 12.500 Euro

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Tischmanieren und Co.: Unterricht in westlicher Etikette für Wohlhabende in China.

Wie schält eine Dame von Welt eine Orange? Wie hält man eine Austerngabel? Und wie lautet die richtige Aussprache der Luxusmarken-Namen? In China zahlen Wohlhabende stolze Summen, um ihrem gehobenen Lebensstil mit westlichen Manieren den letzten Schliff zu verpassen. 12.500 Euros kostet ein zweiwöchiger Kurs am neu eröffneten Sarita-Institut in Peking - Dutzende Schüler aus ganz China lassen sich von dem Preis nicht abschrecken.

Frauen mitte 40
Die meisten sind Frauen Mitte 40, die während des rasanten Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahrzehnten zu einigem Wohlstand kamen, sagt Sara Jane Ho, die die Etikette-Schule gründete. Vor allem für die Frauen brachte der Wandel der Gesellschaft in der Volksrepublik einen regelrechten Kulturschock, betont sie.

Keine Regeln, keine Vorbilder
"Die heutigen neureichen Frauen in China leben erstmals mit den Rollen einer Ehefrau, Mutter, Tochter, Geschäftsfrau in dieser neuen, drastisch veränderten Welt. Für sie gibt es keine Regeln, keine Vorbilder. Was meine Kunden wollen, ist eine Anleitung, ein neuer Konfuzius", erklärt Ho unter Verweis auf den chinesischen Philosophen. Viele wollten auch eines Tages ins Ausland ziehen, ihre Kinder in einer gesünderen Umgebung aufwachsen lassen.

Die Kursgebühr ist nicht alles: Nach Angaben Hos geben die Schüler "locker das Dreifache davon" noch einmal für Pelzmäntel oder Schmuckstücke aus, die sie im Unterricht sehen. Neben eleganter Kleidung stehen auch Wein, Elitesportarten wie Golf und Reiten, die englische Teezeremonie, Floristik und Tischdekoration auf dem Stundenplan.

Small-Talk

Auch Small-Talk mit den Geschäftspartnern der Ehemänner wird trainiert, zum Beispiel, dass dabei bei Ausländern Themen wie Gehalt oder Scheidung tabu sind. Ebenso wird der korrekte Abstand zum Gesprächspartner geübt: "Intimsphäre ist in China neu", sagt Ho.

Die im März in einem Luxushotel eröffnete Schule orientiert sich an den traditionellen Finishing Schools, die jungen Damen aus wohlhabenden Familien im Westen früher den letzten gesellschaftlichen Schliff verpassten. Ho selbst spricht fünf Sprachen und absolvierte das Institut Villa Pierrefeu, eine Finishing School in der der Schweiz.

Viele ihrer Schüler buchen den Kurs, nachdem sie bei einer vornehmen Einladung, oft einem Essen nach westlichem Stil, nicht weiter wussten. "Sie trauen sich nicht, mit dem Essen anzufangen, etwa mit Schnecken, weil sie Angst vor einer Blamage haben", sagt Ren Weimin, der Chefkoch der Schule, den Ho von der französischen Botschaft abwarb.

Tischmanieren
Für die 24-jährige Jocelyn Wang sind die Feinheiten westlicher Tischmanieren die wichtigsten Lektionen des Kurses. "Wie jemand isst, wie er Gabel und Messer hält, kann viel aussagen über seine Umgangsformen und seinen Charakter", sagt sie. Solche Themen kämen in China zu kurz: "Meine Eltern haben vielleicht aus Erfahrung gelernt, oder aus dem Fernsehen oder Internet."

Nun will sie noch an ihrer Haltung arbeiten, an ihrem Geschmack und ihrem Selbstvertrauen. Daran könne der aristokratische Adel vom Geldadel unterschieden werden, glaubt Wang, die in London studiert. "Wir führen ein tolles Leben, zumindest materiell, also sollten wir auch kultiviert sein."

Der Harvard-Soziologe Martin Whyte vergleicht die wohlhabenden Chinesen von heute mit den US-Amerikanern des 19. Jahrhunderts: "Sie wollen der Welt zeigen, dass sie nicht einfach geldgierige Emporkömmlinge sind, sondern auch kultiviert und höflich, so dass ihr Wohlstand ihnen nicht verübelt, sondern als ehrenwert wahrgenommen wird.
 

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