Grazer Amok-Prozess:

Gericht fiel auf seine Show nicht herein

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Geschworene widersprachen der Verteidigung und zwei Gutachtern.

Gegen 16.30 Uhr zogen sich am Donnerstag die Geschworenen zur Beratung zurück. Im Schwurgerichtssaal war die Spannung mit Händen zu greifen. Nur einer blieb ruhig: Alen R. (27), wie immer im weißen Anzug.

Große Spannung im Saal, nur Alen R. blieb ungerührt

Zurechnungsfähig – oder nicht? Das war die entscheidende Fragen an die Laienrichter. Um 19.15 Uhr dann das einstimmige Urteil: zurechnungsfähig! Alen R. ist wegen dreifachen Mordes und 108-fachen Mordversuches schuldig – Urteil nicht rechtskräftig.

Psychologin. Die Geschworenen nahmen Alen R. die Show nicht ab. Die Wende im Gutachter-Krimi – zwei Sachverständige hielten R. für unzurechnungsfähig, einer nicht – hatte am Vormittag die Kriminalpsychologin Anita Raiger mit ihrem aufsehenerregenden Gutachten gebracht.

Ihr Fazit: R. habe aus ­einem vielfachen Kränkungserleben heraus und keineswegs spontan gehandelt. „Er hatte Probleme mit Frauen, er hatte keinen Job und kein Geld, er war weggewiesen worden und hatte kein Zu­hause.“ R. habe sich von der Gesellschaft verfolgt gefühlt.

Auslöser sei gewesen, dass ihn die Frau verlassen habe.

Vorlage für Amokfahrt war Alen R.s Computerspielen

Auf wiederholtes Nachfragen beharrte Raiger, sie habe keinen Hinweis auf eine akute Psychose finden können. Es bestehe vielmehr eine Persönlichkeitsstörung. Zu diesem medizinischen Ergebnis war auch einer von den drei psychiatrischen Gutachtern gekommen.

Raiger weiter: „Die Vorlage zur Amokfahrt findet sich in einem Auto-Ego-Shooter-Spiel, das Herr R. sehr oft gespielt hat.“

Psychose? Raiger abschließend: „Ich habe ausführlich gesagt, dass die Erkenntnisse zu dünn sind für eine psychotische Erkrankung und für mich das gekränkte Männlichkeitsmodell viel mehr die Tat erklärt, dabei bleibe ich.“

Geschworene widersprachen auch zwei Gutachtern

Mit 8:0 fanden die Laienrichter am Abend zu einem einstimmigen Urteil – nach sehr kurzer Beratung.

Sie haben damit nicht nur der Verteidigerin, sondern auch zwei Gutachtern – darunter Jürgen Müller – widersprochen. Mehr noch: Auch die Staatsanwaltschaft hat „verloren“. Es war ja der seltene Fall, dass Verteidigung und Staatsanwalt dasselbe wollten: keinen Schuldspruch, nur eine Einweisung in eine Anstalt.

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