Wirbel um "Sputnik V"

Umstrittenes Corona-Mittel: Putin ließ sogar Tochter impfen

Teilen

Russland prescht bei der Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs weltweit vor. Von vielen Seiten hagelt es aber Kritik.

Symbolträchtig und etwas pathetisch gibt Russland seinem weltweit ersten Impfstoff den Namen „Sputnik V“ (Sputnik hieß der erste Satellit, mit dem die damalige Sowjetunion die USA im Rennen ums All gedemütigt hatte). Die offizielle Zulassung des Impfstoffs verkündete Präsident Wladimir Putin gestern früh im russischen Fernsehen. „Ich weiß, dass der Impfstoff dauerhafte Immunität gibt“, so Putin. Der Präsident gab bekannt, dass sich bereits eine seiner Töchter impfen ließ. Sie habe eine leicht erhöhte Temperatur entwickelt, „das war alles“, sagte er. Die Bevölkerung soll ab Jänner geimpft werden.

WHO: "Vor grünem Licht Prüfung notwendig"

Virologen aus aller Welt kritisieren, dass die Zulassung offenbar ohne große Wirksamkeitsprüfung (Phase III) an Tausenden Probanden erfolgt sei. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte zurückhaltend. Sie kündigte an, alle Daten über die „Sicherheit und Wirksamkeit“ des russischen Impfstoffs genau zu überprüfen, bevor sie grünes Licht geben werde.

„Sputnik V“ wurde am Gamaleja-Institut für Epidemiologie in Moskau gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium entwickelt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Vektor-Impfstoff. Er stützt sich auf ein für den Menschen ungefährliches ­Virus, das so verändert wird, dass es eine Infektion mit dem Coronavirus verhindert. Laut russischem Gesundheits­ministerium muss der Impfstoff zweimal verabreicht werden.

Mehr als 160 Impfstoffe derzeit in Testphase

Mit einem nach europäischen Kriterien zugelassenen CoV-Impfstoff ist, wie der Virologe der Medizinischen Universität Wien, Christoph Steininger, im ÖSTERREICH-Gespräch erklärt, nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Führend sind hier die Firma Curevac aus Deutschland, der britisch-schwedische Pharmakonzern Astra-Zeneca und die britische Universität Oxford. Das Rennen um den Impfstoff wird zum Krimi.

Christoph Steininger Coronavirus
© MedUni Wien; Getty Images
× Christoph Steininger Coronavirus
Virologe Prof. Christoph Steininger

Virologe Steininger: "Nicht 
dieselben 
Qualitäts-
Kriterien 
wie in Europa"

Der Virologe Prof. Christoph Steininger im ÖSTERREICH-Talk.

ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Russland nun den ersten Impfstoff zugelassen hat?

Christoph Steininger: Wir haben diesbezüglich noch keine Daten. Tatsache ist, dass wir hier in Europa strenge Auflagen für die Zulassung eines Impfstoffs haben. Das braucht Zeit. Man kann davon ausgehen, dass Russland nicht die­selben Qualitätskriterien angewendet hat.

ÖSTERREICH: Wo liegen die Gefahren?

Steininger: Die Einführung des Impfstoffs in den Massenmarkt kann bei zu wenig Tests gut gehen, oder aber nicht. Treten schwere ­Nebenwirkungen auf, steigt die generelle Impfskepsis.

ÖSTERREICH: Putin dürfte sich der Sache sehr sicher sein. Immerhin hat er den Impfstoff auch an seiner Tochter testen lassen.

Steininger: Putin dürfte Daten haben, die ihn überzeugen. Russland hat auch bekannt gegeben, dass der Impfstoff an Soldaten getestet wurde. Auch das ist etwas, was es bei uns nie ­geben dürfte, weil dadurch nicht die Voraussetzung der Freiwilligkeit erfüllt wird.

ÖSTERREICH: Wie lange dauert es noch mit unseren strengen Zulassungskriterien, bis ein Impfstoff zugelassen wird?

Steininger: Das wird mit Sicherheit nicht vor dem nächsten Jahr der Fall sein.

Chr. Zacharnik

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.