Geld

ÖBB-Pensionierungen zu Unrecht

Teilen

Laut Gerichtsmediziner waren die Hälfte der Frühpensionierungen nicht nachvollziehbar.

Die gesundheitlich bedingten Frühpensionierungen bei den staatlichen ÖBB und der teilstaatlichen Post und Telekom Austria waren nach Meinung eines von Bundeskriminalamt (BKA) beauftragten Gerichtsmediziners zu einem erheblichen Teil nicht begründbar. Trotzdem wurde der Akt von der Staatsanwaltschaft niedergelegt, berichtet die Wiener Stadtzeitung "Falter" im Voraus. Hintergrund: Anstatt dass die Beschäftigten weiter gearbeitet hätten und von den Unternehmen bezahlt wurden, wurden damit die Personalkosten auf das Pensionssystem abgewälzt.

BKA-Sonderkommission
Aber der Reihe nach: Eine Sonderkommission des BKA untersuchte rund 4.000 Fälle von Frühpensionierungen, die laut Verdacht der Ermittler aufgrund von Gefälligkeitsgutachten gewährt worden seien. Die Soko des BKA überreichte der Staatsanwaltschaft Wien 1.560 Aktenordner und sah neunzig Prozent der untersuchten Fälle als verdächtig an. Es waren seltsame Zufälle, die die Fahnder damals aufspürten. Manche Mitarbeiter von Post, Telekom, Postbus AG und ÖBB wurden schon mit 45 Jahren krankheitsbedingt in Frühpension geschickt, obwohl sie nach der Pensionierung plötzlich wieder pumperlgesund wirkten, berichtet der "Falter".

Passende Krankheit
Ärzte haben demnach immer exakt jene Krankheit dokumentiert, die die unerwünschten Dienstnehmer nur für ihren angestammten Arbeitsplatz untauglich machten. Postbus-Chauffeure stöhnten unter Rückenleiden, Briefträger klagten über Bandscheibenvorfälle, Bürokräfte konnten sich auf einmal nicht mehr konzentrieren und jene, die am Computer arbeiteten, hatten "Sehstörungen" zu beklagen.

Beamtendienstrecht
Fast nie wurde "generelle Arbeitsunfähigkeit" attestiert. Der Hintergrund liege im Beamtendienstrecht. Es sieht vor, dass Beamte, ein "gleichwertiger anderer Arbeitsplatz" angeboten werden muss, ehe man sie in Frühpension schicken darf. Doch die Staatsbetriebe hatten solche Arbeitsplätze nicht mehr zur Verfügung, sie wollten ja Personal abbauen. Das Durchschnittspensionsalter wurde auf 52 Jahre gesenkt.

Frühpension
Die Staatsanwaltschaft setzte nun den Gerichtsmediziner Christian Reiter ein. Stichprobenartig überprüfte er 45 Gutachten, die zu den Frühpensionierungen führten. Reiter stellte fest, dass in mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle "von einer geringen Wahrscheinlichkeit" und in einem Viertel der Fälle von einer "mittleren Wahrscheinlichkeit einer richtigen Beurteilung" auszugehen sei.

In anderen Worten: jede zweite Frühpensionierung war nicht mehr nachvollziehbar. Auch andere Gutachter kamen laut Justizministerium "überwiegend zum Ergebnis, dass zum jeweiligen Zeitpunkt der Pensionierung eine medizinische Indikation (...) nicht gegeben gewesen sei bzw. dass die Beurteilung nicht ausreichend begründet gewesen sei."

Kein Strafverfahren
Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Strafverfahren ein - das Justizministerium genehmigte das Vorhaben laut Weisungsakte. "Die anlässlich der Nachbegutachtung einzelner Pensionierungsfälle aufgezeigten Zweifel an der Richtigkeit bestimmter medizinischer Kalküle des Arztes bieten (...) keine hinreichende Grundlage, um vorsätzliche Manipulationen unter Beweis stellen zu können." Der Arzt, so die Staatsanwaltschaft, habe nicht mit dem Vorsatz gehandelt, die Republik zu schädigen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.