Wissenschaft

Aufwärtstrend von Omikron-Anteilen in Abwässern

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Omikron-Anteile in Abwässern zuletzt teils über 90 Prozent. Manche Abwasser-Monitoring-Werte zeigen leichte Tendenz zum Abflachen - das zeigen aktuelle Daten vom Abwasser.

Der von Omikron verursachte große Infektionsanstieg schlägt sich etwas abgeschwächt auch im Abwassermonitoringsystem nieder. Die aktuellen Daten zeigen, laut dem Leiter des "Schulstandortmonitorings", dem Mikrobiologen Heribert Insam, weiterhin nahezu österreichweit steigende Tendenzen.

Es gebe aber auch erste dezente Hinweise, dass sich die Entwicklung mancherorts einbremsen könnte – mit vielen Fragezeichen dahinter. In Wien waren Infektionsnachweis-Werte in den Abwässern von Kläranlagen zuletzt auf hohem Niveau stabil.

Abwässer im Fokus

Seit April 2020 untersucht ein Forschungsverbund um Insam, dem Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielles Ressourcenmanagement der Universität Innsbruck, und Norbert Kreuzinger vom Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der Technischen Universität (TU) Wien, SARS-CoV-2-Erbgutrückstände im Abwasser. Im Rahmen des vom Bildungsministerium geförderten "Schulstandortmonitoring" werden Proben aus dem Kläranlagen-Zulauf von 108 Anlagen in ganz Österreich laufend analysiert.

Mit an Bord ist auch der seit Beginn des Jahres als Professor für Molekulare Immunologie an der Medizinischen Universität Wien tätige Virologe Andreas Bergthaler. Er entschlüsselt die Erreger-RNA in den Proben (Ganz-Genom-Sequenzierung) mit seinem Team und bestimmt die Anteile der jeweiligen Varianten.

An der MedUni Wien wird überdies ein Variantenscreening von einem Team um Harald Esterbauer durchgeführt. So lässt sich ein repräsentatives Bild vom Infektionsgeschehen und von Variantenanteilen in Österreich abseits von Einzeltestungen zeichnen.

Eindeutige und deutliche Wasserzeichen

Die teils bis zum 16. Jänner reichenden neuen Daten weisen für ganz Österreich hohe SARS-CoV-2-Konzentrationen im Abwasser aus. Die Tendenzen zeigen, nach zuletzt vielfach starken Anstiegen, größtenteils weiter nach oben. "Omikron hat sich flächendeckend mit wenigen Ausnahmen durchgesetzt", berichtet Insam im Gespräch mit der APA.

In Ballungsräumen wie Wien, Salzburg oder im Vorarlberger Rheintal kommt die neue dominante Variante mittlerweile auf Anteile um die 90 Prozent und darüber. Weltweit erstmalig konnte in den Abwasserproben auch die Omikron-Subvariante "BA.2" nachgewiesen werden.

Die Viren-Levels gehen derzeit vielerorts nicht genau so stark durch die Decke, wie zuletzt die Inzidenzen. "Man sieht einen Anstieg, der ist aber nicht wirklich drastisch", erklärt Insam. Das ist erstaunlich, da sich in vorhergehenden Wellen die Neuinfektionszahlen der kommenden Woche in den Kläranlagenanalysen der Vorwoche fast punktgenau vorhersehen ließen. Woraus die relativ schaumgebremsten Werte der Proben resultieren, lässt die Wissenschafter noch rätseln.

Hohe Impfraten reduzieren Virenlast in Bevölkerung

Es könne sein, dass bei Omikron-Infektionen im Schnitt weniger Viren pro Person über den Stuhl ausgeschieden werden. Das diskutiere man gerade mit internationalen Teams, die ähnliche Analysen durchführen. Es sei aber auch denkbar, dass die mittlerweile hohen Impfraten die Virenlasten reduzieren. "Es ist noch nicht ganz klar, warum das Abwassersignal nicht mehr so deutlich ist wie früher", so Insam.

In Wien beispielsweise war in den vergangenen Wochen trotzdem auch im Abwasser ein massiver Aufschwung zu sehen. Bei den letzten Messungen wurden stagnierende Werte ermittelt bzw. zeigten diese leicht nach unten. Gleichzeitig gehen die Inzidenzen in der Bundeshauptstadt weiter stark hinauf. "Das zeigt uns auch, dass die Inzidenzen sehr stark von der Teststrategie abhängen", so Insam.

Manche ganz aktuelle Anlagen-Messwerte, wie jene aus der Hauptkläranlage Wien, flachen  mittlerweile etwas ab. Dies könnten erste Anzeichen für das baldige Erreichen einer Infektionsspitze in der Omikron-Welle sein. Eine solche Einschätzung sei aber noch als äußerst vage anzusehen, betonte der Wissenschafter.

Abwasser-Monitoring könnte künftig Millionen Tests ersparen

In Bezug auf die momentanen Diskussionen um Teststrategien glaubt der Mikrobiologe, dass man sich künftig Millionen von PCR- und Antigentests ersparen könnte. Mittelfristig kann sich Insam vorstellen, nur noch symptomatische Personen zu testen. "Das ist aber meine ganz persönliche Meinung", fügt er hinzu. In Schulen oder in Risikobereichen wie dem Gesundheitssystem könne man ein leistungsfähiges PCR-Testsystem aber durchaus aufrechterhalten.

Letztlich könnten das Abwassermonitoring und die Sequenzierungen sehr genau anzeigen, was sich großflächig epidemiologisch im Land tut. Gehen in einer Region die Zahlen stark hinauf, sollte dort dann wieder vermehrt getestet werden, lautet seine Anregung für die Zeit niedriger Inzidenzen.

Das "weltweit führende" Abwasserdatenprojekt wird nun jedenfalls mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums zum "Österreich-Monitoring" ausgebaut, wie Insam erklärt. "Wir hoffen, dass wir zusätzliche Anlagen mit aufnehmen können", ergänzt er. Während Insam die Vorreiterrolle des Bildungsministeriums hervorhebt, kritisiert er einzelne Bundesländer heftig, "die eine Offenlegung der Daten hintertreiben und deren Verständnis von Informationsfreiheit noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen scheint".

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