Chipsystem für die ''erweiterte Realität'' könnte in zwei Jahren auf den Markt kommen.
Neubiberg. Der deutsche Halbleiter-Spezialist Infineon, der in Österreich etwa in Villach in Kärnten stark engagiert ist, will sich mit einem neuen Chipsatz im vielversprechenden Geschäft mit Computerbrillen etablieren. Die am Montag vorgestellte Technologie zeichnet sich laut Infineon durch kleine Maße, wenig Gewicht und geringen Stromverbrauch aus.
Brillen, bei denen für den Träger zusätzliche Informationen wie Routenanweisungen eingeblendet werden können, gelten als ein potenziell großer Zukunftsmarkt. Die Idee ist als "erweiterte Realität" (Augmented Reality, AR) bekannt. Unter anderem wird ein solches Gerät von Apple erwartet. Die Macher der Foto-App Snapchat haben bereits eine relativ einfache Brille im Angebot, bei der Bildeffekte ins Blickfeld eingeblendet werden. Auch die Entwicklungsfirma hinter dem Smartphone-Spiel "Pokemon Go" arbeitet an einer AR-Brille.
Marktreife Geräte in zwei Jahren
Das Infineon-Chipsystem könne in zwei Jahren in marktreifen Geräten stecken, betonte der Konzern. Es soll auch als Herzstück von kompakteren Head-up-Displays in Autos dienen, die Informationen für den Fahrer auf die Windschutzscheibe projizieren. Bei Autos ist es wichtig, dass das System die Vibration bei der Fahrt ausgleicht, bei Brillen die Kopfbewegungen.
Das Infineon-System hat einen innovativen schwenkbaren Spiegel, der sich auf zwei Achsen bewegt. Die Bildinhalte können dabei sowohl auf das Brillenglas als auch direkt ins Auge projiziert werden. Letzteren Weg wählte unter anderem Bosch für einen Prototypen, der Anfang 2020 auf der Technik-Messe CES zu sehen war. Zum gesamten System gehört noch weitere Technik wie Batterien, Laser und sogenannte Waveguides zum Leiten des Lichts, die von anderen Unternehmen kommen sollen.
Seit 2016 an dem Chipsatz gearbeitet
Infineon habe an dem Chipsatz seit 2016 gearbeitet, sagte Bereichsleiter Charles Chan - ursprünglich für Laserradar-Systeme, mit denen selbstfahrende Autos ihre Umgebung abtasten können. Doch während sich die Markteinführung sogenannter Robotaxis immer weiter hinzieht, machte der Konzern AR-Brillen als einen größeren Markt aus, der eventuell schneller in Gang kommen kann. "Wir sind im großen Hype von AR-Brillen. Alle arbeiten daran", sagte Chan. Der Infineon-Chipsatz solle Brillen möglich machen, die den ganzen Tag ohne Nachladen des Akkus durchhalten könnten, betonte Produktexperte Emanuele Bodini.
Infineon plant bei smarten Brillen für den Alltag mit einem Blickfeld von 30 Grad für die eingeblendeten Informationen sowie einer Batterie, die nicht mehr als 40 Gramm wiegt. Für die gesamte AR-Technik wird dabei ein Zusatzvolumen von weniger als einem Kubikzentimer pro Auge veranschlagt. Infineon sieht in AR-Brillen einen Markt für potenziell hunderte Millionen Geräte - während von Head-Up-Displays für Autos in nächster Zeit nur einige Dutzend Millionen pro Jahr gebraucht würden, und bei Laserradar-Systemen für Roboterautos nur wenige Millionen.