Michel Houellebecq

Skandal-Autor ist wieder im Rennen

Teilen

Houellebecq beschimpft Politiker – und bekommt eine Gesamtausgabe.

Vielen Autoren wird die Ehre einer Gesamtausgabe ihrer Werke posthum zuteil, oder aber weil sie in hohem Alter sind. Michel Houellebecq ist weder das eine noch das andere.

Ein Jahr nach der Ver­öffentlichung seines in Frankreich als islamfeindlich kritisierten Bestsellers Unterwerfung – das Buch war das im Vorjahr bestverkaufte und rangierte somit auf Platz eins der Jahres-Charts 2015 (siehe letzte BuchWoche) – soll nun der erste Band seiner Gesamtausgabe mit Texten aus den Jahren 1991 bis 2000 erscheinen.

Band 1 erschien ein Jahr nach »Charlie Hebdo«

Seine Leser lebten in der Regel in kleinen Wohnungen, schreibt der 59-Jährige im Vorwort. Platz in der Bibliothek zu gewinnen sei wichtig und einer der Gründe dieser Ausgabe. Der erste Teil von ungefähr 1.200 Seiten erschien am 6. Jänner im französischen Buchhandel.

Ein Datum, das schmerzliche Erinnerungen wachruft. Denn am 7. Jänner 2015 stürmten zwei islamistische Extremisten die Pariser Redaktion der Satirezeitung Charlie Hebdo. Das Attentat mit zwölf Toten fand zeitgleich mit dem Erscheinen von Houellebecqs politischer Fiktion statt, in der Frankreich von den Muslimbrüdern regiert wird.

»Charlie Hebdo« machte mit Houellebecq auf

Nach dem Terrorangriff war nach einem Zusammenhang mit dem Buch und dem Blutbad gesucht worden. Denn Charlie Hebdo machte an jenem Tag mit Houellebecq auf.

„Nein, Frankreich, das ist nicht die Unterwerfung, Frankreich, das ist nicht Michel Houellebecq“, erklärte der französische Premierminister Manuel Valls. Und Houellebecq hatte nach dem Anschlag auf die als islamkritisch geltende Wochenzeitung seine Werbekampagne in Frankreich abgebrochen und alle Lesungen abgesagt.

Seitdem hat sich Houellebecq aus der französischen Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen. Dabei hatte das Enfant terrible der französischen Literatur (Elementarteilchen, Die Möglichkeit einer Insel, Karte und Gebiet) sich nach mehrjährigem Aufenthalt in Irland erst vor etwas mehr als zwei Jahren wieder in seinem Heimatland niedergelassen.

Frankreich sei kein schlechtes Land, wenn man alt wird, spöttelte er. Seine Rückkehr hat sich der Provokateur und Bestsellerautor aber wahrscheinlich anders vorgestellt. Seinen einzigen öffentlichen Auftritt gab er nach den Terroranschlägen in Deutschland, wo sein Buch von den Kritikern gefeiert wurde.

Houellebecq kritisiert Frankreichs Politiker

In der italienischen Zeitung Corriere della Sera schlug Houellebecq vor wenigen Wochen schließlich zurück. In einer Kolumne mit dem Titel Ich klage Hollande an und verteidige die Franzosen kommentierte er die Attentatsserie in Paris vom 13. November. Darin nannte er Frankreichs Staatschef François Hollande einen „bedeutungslosen Opportunisten“ und Valls einen „Geistesschwachen“. Die Regierung habe versagt, sie sei der Verpflichtung, die Bevölkerung zu schützen, nicht nachgekommen, erklärte er. „Man gewöhnt sich an alles, auch an Attentate“, sagte er der Zeitung. Diesmal habe er nicht einmal mehr den Fernseher eingeschaltet.

Warten auf Band 2 der Gesamtausgabe

Wann der zweite Band mit Houellebecqs zwischen 2001 und 2010 erschienen Texten und Romanen erscheint, steht zur Stunde noch nicht fest.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.