Das Interview

Burgtheaterdirektor Bachler zum Saisonstart

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Zum Saisonstart sagt Burgtheaterdirektor Bachler, was ihm zu den Themen Theater, ORF, Politik und Papstbesuch besonders am Herzen liegt.

ÖSTERREICH: Eine kleine Rückschau auf den heurigen Festspielsommer?
Klaus Bachler: Ich habe das Gefühl, dass ein großes Festival wie Salzburg eine Konzentration nötig hätte. In der Zeit, als Salzburg noch Theatergeschichte schrieb, hatte man in der Felsenreitschule eine Strehler-Inszenierung und im Landestheater eine Uraufführung von Thomas Bernhard. Das genügte. Deshalb ist es mir nicht wirklich einsichtig, warum man heute zehn CoProduktionen von Bremen bis Zürich braucht und man immer mehr auf Masse setzt.

ÖSTERREICH: Es war ein Sommer der Absagen, ist das für den hektischen Betrieb ­typisch?
Bachler: Dass Sänger absagen, ist die Normalität, solange es Oper gibt. Dass es aber zum zentralen Thema wird, wenn von 60 oder 80 guten Sängern drei oder vier absagen, fällt in die Kategorie „Starrummel“, der die Festspiele langsam ad ­absurdum führt. Denn was ist schon passiert? Frau Netrebko und Frau Garanca haben abgesagt – und Herr Shicoff hätte nie zusagen sollen. Dass deshalb die Festspielleitung die Nerven wegschmeißt, war für mich nicht wirklich nachvollziehbar.

ÖSTERREICH: Im Burg- und Akademietheater gibt es in dieser Saison neben den Klassikern wie "Romeo und Julia" (siehe Info-Kasten am Ende des Artikels) und "Lear" auch etliche ganz aktuelle Stücke.
Bachler: Wir haben tatsächlich auch einen sensationellen zeitgenössischen Spielplan. Um nur zwei Titel zu nennen: In Verbrennungen und Schwarze Jungfrauen im Akademietheater geht es beispielsweise um die immer tiefer werdende Bruchstelle zwischen Orient und Okzident und um Fundamentalismus – wobei man nicht vergessen sollte, dass es auch einen katholischen Fundamentalismus gibt.

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ÖSTERREICH: Sie spielen auf den Papstbesuch an?
Bachler: Ich habe mit großem Vergnügen verfolgt, wie der ORF sofort zum Radio Vatikan mutiert ist, um Tag und Nacht nur noch Jubelberichte über den Papstbesuch zu senden. Gleichzeitig verwandelte sich die österreichische Bundesregierung in Mariazell samt und sonders in Ministranten, und selbst die größten Agnostiker der SPÖ nahmen in ihren Regenhäuten widerspruchslos hin, dass Abtreibung und Verhütung nicht sein darf. Also, da hat man sich schon gefragt: Sind die jetzt alle vom Weihrauch und dieser katholischen Theatralik benebelt? Die Verführbarkeit der Menschen in materialistischen Zeiten ist groß.

ÖSTERREICH: Wie zufrieden sind Sie als Burgtheaterdirektor mit dem neuen ORF?
Bachler: Ich kann nicht zufrieden sein, denn für uns gibt es den ORF ja praktisch nicht mehr. Der Treffpunkt Kultur wurde abgeschafft und durch eine absurde, verquaste, unentschlossene Sendung mit dem abstrusen Titel lebens.art ersetzt. Deshalb sieht man jetzt zum Beispiel Berichte, in denen der Chef der Kulturabteilung im weißen Anzug durch Venedig stolziert. Das ist augenscheinlich das neue Kulturverständnis des ORF...
Da sind doch, mit Verlaub, der Herr Voss, der Herr Brandauer, der Herr Holender oder die Wiener Philharmoniker für die Österreicher tausendmal interessanter als dieses verschwurbelte Modernitätsgetue. Die Fülle und der Reichtum der einstigen ORF-Kultur – man erinnere sich: Da gab es Löbls und Prawys, Café Central und Kulturfrühstück – ist der Beförderung des medialen Rummels – Stichwort Salzburg und Papstbesuch – gewichen. Wir sind auf dem Weg in die kulturelle Barbarei.

ÖSTERREICH: Wie behagt Ihnen die aktuelle Kulturpolitik?
Bachler: Die Kulturministerin hat bezüglich der Museen eine interessante Anmerkung gemacht: „Mit sechs Millionen Euro kann man keine Kulturpolitik betreiben.“ Dem kann man nur zustimmen. Und dass dagegen so kraftvoll-hybride Menschen wie der Albertina-Direktor Schröder auftreten, gefällt mir. Das heißt mit anderen Worten: Es gibt hier keine aktive Kulturpolitik mit großem Gestus wie in Frankreich oder Spanien, sondern es werden – auch dies ein Zitat Claudia Schmieds – nur noch ­ "Löcher gestopft".

Info-Kasten: Romeo und Julia im Burgtheater

Premiere
Am Donnerstag (20.9.) hat Shakes-peares Romeo und Julia im Burgtheater Premiere. Es inszeniert der junge deutsche Regisseur und Frank-Castorf-„Schüler“ Sebastian Hartmann. Dessen 22-jährige Schwester Julia Hartmann und der 25-jährige Sven Dolinski verkörpern das berühmteste Liebespaar der Literatur.

Direktor Klaus Bachler hat sich die Proben angeschaut: "Soweit ich es bisher beurteilen kann, geht Hartmann sehr nahe 'ans Werk', nimmt Romeo und Julia nicht als rohes Material, sondern versucht, die große Liebesgeschichte der Renaissance zu erspüren und in einer sehr jungen Besetzung für ein heutiges Publikum auf die Bühne zu bringen".

Mut zum Risiko
"Während man früher Romeo und Julia mit Vierzigjährigen besetzt hat", so Bachler weiter, "engagiert man heute Zwanzigjährige. Das nenne ich Mut zum Risiko".

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