Bühnenzauberer Robert Lepage über Thomas Adès’ Oper „The Tempest“.
Oper. Der frankokanadische Bühnenvisionär Robert Lepage, der mit seinem megalomanischen Ring an der New Yorker Met Operngeschichte geschrieben hat, debütiert an der Wiener Staatsoper. Morgen feiert seine Inszenierung von Thomas Adès’ The Tempest Premiere.
ÖSTERREICH: Sie haben Shakespeares „Tempest“ oft inszeniert. Was sind die Unterschiede zwischen dem Drama und der Oper?
ROBERT LEPAGE: Der größte Unterschied ist das Libretto: Meredith Oakes hat Shakespeares Sprache transformiert und neu geschrieben. Dann gibt es Unterschiede in der Handlung; wesentlich ist der Chor, der in der Oper an der Aktion teilnimmt.
ÖSTERREICH: „The Tempest“ spielt auf einer einsamen Insel. Warum haben Sie die Handlung an die Mailänder Scala verlegt?
ROBERT LEPAGE: Prospero, der vertriebene Herzog von Mailand, lebt als Zauberer auf einer Insel. Und es ist, als hätte er die Insel in die Scala verwandelt, in der er mit den Tricks eines Opernregisseurs agiert. Die Bühnensprache ist der Sprache der Seefahrt verwandt. Tatsächlich sind viele Seeleute in der Oper gelandet.
ÖSTERREICH: Prospero mit seinen Büchern, Maschinen und Anspielungen auf die Kunst wird gern als Selbstporträts Shakespeares gedeutet. Identifizieren Sie sich auch mit ihm?
ROBERT LEPAGE: Ich identifiziere mich auf vielen Ebenen mit Prospero. Allerdings ist er viel älter (lacht), weiser und reifer als ich. Mit seiner Rachsucht und Bitterkeit identifiziere ich mich nicht. Bei seinen Feldzügen geht er vor wie ein Regisseur; er inszeniert seine Rache.
ÖSTERREICH: Wie wichtig sind der technische Apparat und die Artistik?
ROBERT LEPAGE: Der technische und artistische Aspekt ist Teil des Stücks, also wichtig. Der Luftgeist Ariel ist ein Akrobat. Schon sein Name weist auf „aria“ – die Luft – hin, musikalisch auf die Arie, aber auch auf „aerial tricks“, Kunststücke in der Luft. Ariel ist ein Geist, der aus der Luft auftaucht. Diese Rolle muss eine Sängerin spielen, die mutig genug ist, durch die Luft zu fliegen.
ÖSTERREICH: In Wien sind die Sänger am wichtigsten, dann kommt der Dirigent und erst dann der Regisseur …
ROBERT LEPAGE: Dem stimme ich völlig zu. Ich finde, dass in der Oper die Stimme am wichtigsten ist. Die Vision, die der Regisseur von einem Stück hat, muss die Stimme unterstützen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, in der Hierarchie nur Nummer drei oder vier zu sein.