Offener Brief

Dollfuß-Museum: Beirat kritisiert "befremdliche Räumaktion"

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Fast vollständige Übergabe von Exponaten an NÖ Landessammlungen "äußerst befremdlich".

Mehrere Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats zur Neukonzeption des Dr.-Engelbert-Dollfuß-Museums in Texingtal im Bezirk Melk haben am Samstag in einem Offenen Brief Kritik an der fast vollständigen Übergabe von Exponaten durch die Gemeinde an die NÖ Landessammlungen geübt. Die im Jänner durchgeführte Räumaktion sei "äußerst befremdlich", die Umsetzung des vom Beirat befürworteten und begleiteten Konzepts "Raum schaffen" werde damit "torpediert".

Unter dem Titel "Raum schaffen - Ein Museumsprojekt für das Dollfuß-Geburtshaus" war eine schrittweise und kuratierte Entfernung der Objekte bis zum Ende des Pachtvertrags im Jahr 2028 vorgesehen gewesen. "Zwar realisiert die Räumaktion einen Teil des Konzepts - die Schließung des Museums und die Übernahme der Exponate in eine öffentliche Sammlung. Doch der konstruktive Teil - die begleitende, partizipative und kritische Reflexion über mehrere Jahre - entfällt", wurde in dem Offenen Brief kritisiert.

"Bedenklicher Auftakt"

"Auf diese Weise werden die gedenkpolitischen Interessen einiger Personen und Organisationen auf Kosten einer zeitgemäßen, demokratischen und evidenzbasierten Geschichtskultur durchgesetzt", hieß es weiter. Die für die Aktion Verantwortlichen hätten einen "bedenklichen Auftakt zum Gedenkjahr der Durchsetzung der Dollfuß-Diktatur vor 90 Jahren gesetzt". Von den kultur- und wissenschaftspolitischen Entscheidungsträgern erwartet wird in dem Schreiben zudem ein verantwortungsvoller Umgang mit der österreichischen Geschichtskultur zu den Jahren 1933/1934. Unterzeichnet haben den Offenen Brief Lucile Dreidemy (Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien), Ernst Langthaler (Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte der Johannes Kepler Universität Linz), Carlo Moos (Historisches Seminar der Universität Zürich) und Verena Pawlowsky (Forschungsbüro, Wien).

Die seit Anfang 2022 geschlossene Ausstellung im Dollfuß-Geburtshaus ist am 19. Jänner bis auf wenige Objekte geräumt worden. Die Exponate wurden den Landessammlungen Niederösterreich treuhändisch übergeben. Mehrere Leihgeber hatten die Gemeinde zuvor zu diesem Schritt aufgefordert.

Texingtal ist die Heimatgemeinde von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), in der er vor seiner Berufung in die Bundesregierung auch Bürgermeister war. Das Museum im Geburtshaus des 1934 ermordeten austrofaschistischen Kanzlers war nach Karners Amtsantritt als Ressortchef in die Schlagzeilen gekommen. Im Mai 2022 wurde schließlich der Verein "MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk" von der Gemeinde, die als Trägerin des Museums fungiert, mit der Neukonzeption beauftragt. Hervorgegangen ist das nun obsolet gewordene Projekt "Raum schaffen".

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