"Falstaff"

Erst Regen-Panne, dann Buh-Konzert bei Salzburger Festspielen

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Bei der Premiere am Samstag setzte es einen Buhorkan für das Regieteam um Christoph Marthaler und eine kalte Dusche dank undichten Daches für einige Besucher 

Buhorkan und Gewittersturm zur "Falstaff"-Premiere bei den Salzburger Festspielen: Während am Samstag ein massives Gewitter Salzburg vor dem Großen Festspielhaus erschütterte, entlud sich am Ende des Premierenabends im Inneren ein Buhorkan über dem Regieteam rund um Christoph Marthaler. Anders als das Ensemble und Ingo Metzmachers Leistung am Pult der Wiener Philharmoniker, fiel die Inszenierung klar durch.

Regisseur Marthaler blieb allerdings nicht der Einzige, der an diesem Abend eine kalte Dusche im Festspielhaus abbekam. Manche Parterreplätze wurden wie bereits 2018 während eines Konzerts in der zweiten Hälfte des Abends ganz handfest vom schlechten Wetter getroffen: Durch die leckgewordene Decke drang Wasser ein und vertrieb manchen Premierengast eine Viertelstunde vor dem Ende der Verdi-Oper von seinem Sitz.

Schnelle, komplexe Handlung 

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der klassische Marthaler-Kosmos bereits in Vollendung auf der Bühne entfaltet - und das durchaus in Konterposition zu üblichen "Falstaff"-Inszenierungen. So ist Verdis letzte Oper gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Figuren und eine schnelle, komplexe Handlung. Nun versuchen viele Theatermenschen, dies zu entwirren - nicht jedoch Christoph Marthaler. Der 71-Jährige potenziert im Gegenteil die Zahl der Akteure noch und stellt den singenden Rollen eine Filmcrew bei der Arbeit zur Seite.

Und ein Marthaler lässt sich nicht hetzen. So wuselt es die ersten Minuten des Abends noch ohne Musik auf der Bühne, bevor Metzmacher mit den Philharmonikern erst nach dem Fallen der Kinoklappe loslegt. Der Dreh- und Angelpunkt der Handlungsdopplung ist dabei, ein Alter Ego für Gerald Finleys Falstaff zu schaffen. Der 63-jährige Kanadier ist schließlich ein ungewohnt attraktiver und schlanker Lebemann ohne Moral. Als Schatten folgt ihm nun ein stummer Orson Welles als Meister des Geschehens, auf dessen Regieanweisungen anfangs alle, auch die Sänger, hören. Wirklich gespielt wird jeweils nur von denjenigen, auf welche die Kamera gerichtet ist. Die anderen markieren bloß.

Mit diesem Ansatz gelingt Marthaler und seiner Stammbühnenbildnerin Anna Viebrock, die mit drei fixen Schauplätzen ein Triptychon als Spielfläche geschaffen hat, die gewaltige Horizontale des Festspielhauses unaufgeregt zu bespielen und zu nutzen. Der "Falstaff" schwingt so vom Lustspiel in der Tradition der Commedia dell'arte auf die Seite des leicht verschobenen und verschrobenen Marthaler-Humors. Das Ganze ist leiser, subtiler, aber auch hermetischer als tradierte "Falstaffs".

Vielen im Publikum erschließt sich ohne eigene Vorarbeit das Konzept nicht - und dass Marthaler seinen eigenen ausgelegten Fährten nur bedingt traut, trägt nicht zum inklusiveren Verständnis bei. So erhält das Filmteam und sein Chef im Fortschreiten des Abends immer weniger zu tun. Das Spiel im Spiel scheint den Regisseur des Regisseurs zunehmend weniger zu interessieren.

Keine Rücksicht

Dabei ergäbe sich durchaus ein Reigen interessanter, retardierender Momente und Konstellationen samt einer von Viebrock maßgeblich verantworteten Figurenästhetik, die an Protagonisten in manch Filmen der Coen-Brüder oder von Wes Anderson denken lässt. Nicht zuletzt stechen in deren Ausgestaltung die Damen des Abends heraus, etwa Giulia Semenzato mit sattem Sopran als junge Nannetta oder Tanja Ariane Baumgartner mit ihrem versatilen Mezzo als koordinierende Mrs. Quickly. Und Elena Stikhina macht ihr etwas unterdimensioniertes Volumen für das Große Festspielhaus mit großer Spielfreude als Alice Ford wett.

Der Neue-Musik-Spezialist und "Falstaff"-Debütant Ingo Metzmacher packt die Sache im Graben indes mit Verve an. Auch wenn hie und da ein kleiner Ausrutscher bei den Philharmonikern herauszuhören ist, setzt der 65-Jährige insgesamt auf eine frische, zupackende Interpretation der Partitur. Auf die im Vorfeld avisierte Kehlkopfentzündung Gerald Finleys, die für eine stimmlich leicht zurückgenommene Ausgestaltung des Hedonisten und Anarchisten sorgte, nahm Metzmacher allerdings keine Rücksicht.

Wer es nicht persönlich ins Festspielhaus schafft, für den zeigt am 19. August 3sat und am 3. September ORF III die Fernsehaufzeichnung des Opernabends über den Filmdreh eines Theaterstücks. Diese kann dann mutmaßlich also vom Trockenen aus verfolgt werden.

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