Hochspannung: In der Josefstadt hatte gestern Brechts „Judith von Shimoda“ Uraufführung.
Diese Uraufführung erregt Aufsehen weit über unsere Grenzen hinaus. Denn ein „neuer“ Brecht ist klarerweise eine Sensation. Der Autor hatte die Judith von Shimoda, basierend auf einem Stück des Japaners Yamamoto Yuzo, zusammen mit seiner Bekannten Hella Wuolijoki im finnischen Exil geschrieben. Brecht, Japan, Finnland – dass dabei kein barockes Zaubertheater herausgekommen ist, sondern ein moralisch konzentriertes, ästhetisch hochdosiertes Lehrstück, ist klar. Mehr Sushi als triefende Backware, wenn man so will.
Bereicherung
Wobei der große Trumpf dieser späten „Ausgrabung“
die Titelrolle ist: Brechts „Judith“ ist eine wunderbare Partie für jüngere,
charismatische Schauspielerinnen. Sie wird vielleicht einmal in einem
Atemzug mit Medea oder Nora genannt werden. Da kann man nur von einer echten
Bereicherung der Theaterliteratur sprechen.
In der Josefstadt beherrscht Mavie Hörbiger diese Partie exzellent: Sie spielt die japanische Geisha, die den amerikanischen Kriegsgegnern unter größter Selbstverleugnung zu Diensten ist, um die japanische Heimat vor der Zerstörung zu bewahren, in allen Nuancen. Hörbigers „Judith“ ist zunächst jugendlich naiv; dann geht ihr ein Licht auf – als sie sieht, dass Heldentum nicht belohnt, sondern verhöhnt wird („Ausländerhure“). Schließlich entwickelt sie sich zur berserkerhaften Trunksüchtigen von mythischer Anmutung.
Heribert Sasse schuf eine intensive, uneitle, werktreue Inszenierung – was bei einer Uraufführung sinnvoll ist. Aus dem nicht bis zum letzten Mann durchkomponierten Ensemble wuchs besonders Peter Kern als bombastischer Ami-Konsul hervor. Der Gewinn dieser Uraufführung ist ein großer: Man hat nach längerer gesunder Abstinenz wieder gesteigerte Lust an und auf Brecht.