Der Rapper Massiv ist derzeit in vielen Medien zu sehen, samt Muskeln, Tätowierungen und vor allem: Palästinensertuch.
Rapper Massiv, Ricky Martin, Nazis und H&M-Käufer laufen mit einem Palästinensertuch herum. Warum nur?
Palästinensertuch wurde zum "normalen" Accessoire
Spätestens,
wenn etwas bei H&M oder New Yorker hängt, ist es modisch wieder da. Und
dann dauert es nicht lange, bis man es überall auf der Straße sieht. Das
gilt auch für das Palästinensertuch. Das schwarz-weiße Baumwolltuch -
wahlweise auch mit roten, grünen oder lila Fäden - ist zum normalen
Accessoire geworden. Wer sich das Tuch um den Hals schlingt, muss allerdings
immer noch damit rechnen, dafür angemacht zu werden. Schließlich hat das
Tuch eine bewegte Geschichte hinter sich. Sie wenigstens zum Teil zu kennen,
macht Diskussionen einfacher.
Die Geschichte beginnt in Palästina
Das rund einmal ein
Meter große Baumwolltuch wurde dort ursprünglich von der bäuerlichen
Bevölkerung als Schutz vor Staub oder Hitze getragen. In den 1920er und 30er
begann der Kampf der Palästinenser gegen die jüdische Zuwanderung. Die
Kämpfer banden sich das schwarz-weiße Tuch vor das Gesicht - und blieben so
unerkannt. Das Tuch wurde zum Widerstandssymbol. Populär machte es vor allem
Yassir Arafat, Gründer der Bewegung zur Befreiung Palästinas und später
Palästinenser-Präsident. Er trug das Tuch ständig - vor der UN und vor den
Fernsehkameras.Nach der Legende hat er es so drapiert, dass es die Umrisse
des Mandatsgebiets Palästinas darstellt.
Tuch als Symbol für linke Studentenbewegung in der 60ern
Nach
Deutschland kam das Tuch über linke Studenten Ende der 60er Jahre.
Vorausgegangen war der Sechs-Tage-Krieg, in dem Israel palästinensische
Gebiete besetzte. Die Solidarität mit den Palästinensern begann - und das
Tuch, als Symbol dessen, tauchte 1969 erstmals auf Studentendemonstrationen
in Deutschland auf. Sogenannte Palästinenser-Komitees trugen das Tuch, dann
Solidaritätsgruppen für die Befreiung der Dritten Welt. "Sie
sahen das schwarz-weiße Tuch als Symbol der Befreiungsbewegungen im
arabischen und afrikanischen Raum insgesamt", sagt Dieter Rucht vom
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Das Palästinensertuch
wandelte sich zum Zeichen der Linken.
Ab 2000 war es plötzlich auf Demos der Rechten in Berlin
Doch
selbst das ist es nicht mehr: „2000 hat man es dann plötzlich auf einer
rechten Demo in Berlin gesehen“, sagt Rucht. Rechte begannen, sich das
Symbol der Linken anzueignen. Das hat vor allem zwei Gründe: „Die Rechte
schmückt sich gern mit revolutionären Symbolen. Deshalb sieht man da auch
Che-Guevara-Zeichen.“ Außerdem habe das Tuch als Zeichen des
palästinensischen Widerstands auch eine antijüdische Bedeutung, "das
ist den Rechten natürlich willkommen". Und deshalb gibt es in der
linken Szene inzwischen Aufrufe, es nicht mehr zu tragen, sagt Rucht.
Das Tuch wurde Symbol für Gut und Böse
Palästinensertuch
- Massiv - Mode - Design - Rap - Bauernkleidung - Zeichen der Linken -
Symbol für den Judenhass der Rechten – das Palästinensertuch ist
bedeutungsschwer. Und doch hing es plötzlich am Hals von Johnny Depp und an
den Kleiderständern von Zara.„Das Palästinensertuch hat seine politische
Eindeutigkeit verloren“, sagt Rucht. „Viele wissen wahrscheinlich nicht, was
es bedeutet. Aber es kann sicherlich schon passieren, dass man auf dem
Schulhof von Leuten darauf angesprochen wird, die fragen: "Was soll das?".