Wie es zu dem Mega-Skandal kam
Wien. Seinem Mandanten gehe es „sehr schlecht“, sagt Norbert Wess, Anwalt des Ex-Chefs der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher (64). Der Ex-Banker soll über mehr als 20 Jahre die Bilanzen mit erfundenen Krediten und Einlagen aufgebläht haben; der Schaden liegt bei rund 700 Mio. Euro. Pucher nehme alle Schuld auf sich, sagt Wess. Schon 1992 habe er begonnen, die Bilanzen zu frisieren. Warum? „Er sagt, der Ergebnisdruck und die Erwartungshaltung an ihn als Manager seien so hoch gewesen.“ Laut Puchers Aussagen sei die Bank ab 2000 eigentlich insolvent gewesen.
Der Ex-Banker habe sich in einen Strudel manövriert. „Anfangs dachte er, das sei wieder hinzukriegen, irgendwann ging’s nur noch um Kaschieren“, erkläre Pucher es. In all den Jahren habe – außer seiner Co-Vorständin – niemand etwas gewusst, auch seine Frau und die Töchter nicht. Wie er dabei noch schlafen habe können? „Pucher sagt: Ich kann seit 20 Jahren nicht schlafen“, so sein Anwalt.
Im Juli habe er beschlossen, alles offenzulegen – nachdem Prüfer der Nationalbank zwei Kredite massiv hinterfragten. Wegen Corona sei diese Bankprüfung 2 x pro Woche via Telefonkonferenz abgelaufen. Pucher habe schließlich um einen persönlichen Termin gebeten, der war am 14. Juli um 12 Uhr in der Bank – dort habe der 64-Jährige alles gesagt und sei zurückgetreten. Dann sei er nach Hause gefahren, habe seine Familie informiert.
Dass sich sein Mandant bereichert habe, schließt Wess aus. Wo das Geld dann sei – außer den Summen für den SV Mattersburg, dessen Präsident Pucher war? „Er sagt, 50–60 % des Schadens wurden durch die operative Tätigkeit der Bank verbraucht.“ Sprich: Gehälter, Mieten für Filialen. Pucher selbst habe 360.000 Euro brutto im Jahr verdient.
Was Wess sehr wundert: „Dass so lange nichts aufgefallen ist, trotz mehrmaliger Prüfungen der Bank. Das ist keine Entschuldigung. Aber zumindest die Prüfkriterien wären kritisch zu hinterfragen.“
Angela Sellner
Video zum Thema:
Anwalt von Pucher im Interview