Missbrauchsfälle

Tausende Gläubige verlassen Kirche

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Die Kirchenaustritte schnellen in die Höhe und könnten die Rekordzahlen von 2009 übertrumpfen.

Die anhaltende Aufdeckung von Missbrauchsfällen ist für die katholische Kirche der Supergau: Eine massive Austrittswelle hat eingesetzt.

Schon 2009 war für die katholische Kirche mit der Affäre um den oö. Beinahe-Weihbischof Wagner ein absolutes Rekordjahr: 53.216 Gläubige waren ausgetreten.

Nach der Eskalation des Missbrauchs-Skandals ist nun bereits jetzt klar: Das „annus horribilis“ 2009 wird heuer deutlich übertroffen. Allein aus Niederösterreich werden rund 1.000 Austrittsgesuche gemeldet, davon seit Anfang März 300. In der Stadt Salzburg sind in der ersten Märzhälfte bereits 120 Menschen ausgetreten, das ist etwa das Dreifache desselben Zeitraums 2008. In Vorarlberg haben mehr als 850 Katholiken genug von ihrer Kirche, in Tirol mehr als 650. Die Erzdiözese Wien hüllt sich noch in Schweigen, wenn es um genaue Zahlen geht. Nur so viel: „Es ist viel mehr als sonst.“ Ersten Schätzungen zufolge ist die bisherige Austrittswelle nur die Spitze des Eisberges: 2010 könnten den Diözesen rund 80.000 Gläubige abhanden kommen – und damit auch viel Geld. Laut Josef Lidicky, Finanzkammerdirektor der Erzdiözese Salzburg, zahlt jedes Mitglied im Schnitt 120 € Kirchenbeitrag. Es droht somit ein Verlust von rund neun Millionen Euro.

Kardinal Schönborn gerät immer mehr unter Druck
Der Druck auf den Wiener Erzbischof Christoph Schönborn steigt: Er soll sogar mitvertuscht haben. Der Falter berichtet vom Fall eines steirischen Pfarrers, der von einem Kirchengericht in Salzburg wegen Missbrauchs schuldig gesprochen wurde. Doch 2006 hob die vatikanische Glaubenskongregation, der auch Kardinal Schönborn angehört, das Urteil wieder auf. In Salzburg hat ein 58-jähriger Mann Anzeige erstattet, weil er 1963 bis 1970 von einem Mönch des Klosters Michelbeuern sexuell missbraucht und geschlagen worden sein soll.

Die Kritik am Krisenmanagement des Kardinals wird deshalb lauter. Hans-Peter Hurka von der Plattform Wir sind Kirche: „Ich höre berührende Worte für die Opfer. Ich sehe einen Aufbau von Lazaretten, in der Ausbildung wird sich was ändern. Aber das wird nicht ausreichen.“

Schönborn müsse endlich tabuisierte Fragen der Sexualität ansprechen, gefordert werden auch offene Gespräche über den Pflichtzölibat. Doch Schönborn habe seit der Affäre Groer, abgesehen von der Einrichtung der Wiener Ombudsstelle, nichts getan: „Die Fassade wurde nur außen repariert, nach innen hin ist seit mehr als zehn Jahren nichts passiert. Nichts.“

Kritiker Feichtlbauer: „Papst ist kleingläubig"
Ex-Priester und Sexualtherapeut Johannes Wahala kritisiert das anhaltende Schweigen des Papstes: „Das ist ein Beharren im alten Muster, was der Kirche sicher nicht gut tut. Es würde hier klare Worte brauchen.“ Doch der Papst schreibt im Vatikan nach wie vor an seinem Hirtenbrief. „Der Papst ist ängstlich und kleingläubig, er fürchtet sich“, meint Publizist Hubert Feichtlbauer in der ZiB 24. Das Kirchenoberhaupt lebt ganz offensichtlich in einer anderen Zeitdimension: Denn derzeit plant er für die nächsten 50 Jahre nur eine schrittweise Lockerung des Pflicht-Zölibats für Weltpriester.

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