Angeblicher Banden-Chef soll 3,7 Tonnen Marihuana in Verkehr gesetzt haben.
Ein mutmaßlicher Drogen-Pate, der mit seiner Bande nicht weniger als 3,7 Tonnen Marihuana in Verkehr gesetzt und mit seinen Geschäften fast 19 Millionen Euro erwirtschaftet haben soll, ist vom Wiener Landesgericht für Strafsachen nach achtmonatiger U-Haft auf freien Fuß gesetzt worden. Gerichtssprecher Thomas Spreitzer begründete das am Dienstag gegenüber der APA mit dem Beschleunigungsgebot.
"Der Beschuldigte wurde wegen Überschreitung der Sechs-Monats-Frist und weil die Ermittlungen nicht zügig genug geführt worden sind enthaftet. Nach Ansicht des zuständigen Haftrichters liegen Säumnisse seitens der Staatsanwaltschaft vor", erläuterte Spreitzer.
Die Organisation des mutmaßlichen Drogen-Bosses war Ende April 2018 im Zuge der "Operation Roma" - der Name bezieht sich auf ein Kaffeehaus in Wien-Favoriten - zerschlagen worden. Neben dem 38-Jährigen - ein Österreicher mit serbischen Wurzeln - wanderten zahlreiche weitere angebliche Banden-Mitglieder in U-Haft, darunter für zwei Wochen auch eine Angestellte einer prominenten Wiener Anwalts-Kanzlei, die der Bande angehört und Zeugen beeinflusst haben soll.
Franchise-Unternehmen der serbischen Mafia
Bei der Gruppierung soll es sich um ein Franchise-Unternehmen der serbischen Mafia gehandelt haben, der die Polizei nach umfangreichen länderübergreifenden Ermittlungen auf die Schliche kam. Die Bande betrieb mindestens sieben Cannabis-Plantagen in Wien, Markt Piesting (Bezirk Wiener Neustadt-Land), Vösendorf (Bezirk Mödling) und Oberpullendorf (Bezirk Oberpullendorf). Dafür wurden Einfamilienhäuser und Lagerhallen gemietet und eigene Gärtner und Elektriker beschäftigt. Das gewonnene Marihuana - mit einem Reinheitsgehalt von bis zu 16,31 Prozent von guter Qualität - wurde luftdicht in Aluminium oder Plastik verpackt und in Viertelkilo- und Kilo-Portionen vertrieben.
Die Anklageerhebung gegen die Verdächtigen - neben dem 38-Jährigen befanden sich zuletzt noch zwei Mitbeschuldigte in U-Haft - lässt allerdings auf sich warten. Dabei schreibt die Strafprozessordnung in Haftsachen vor, dass Verfahren mit besonderer Beschleunigung zu führen sind. Alle im Strafverfahren tätigen Behörden, Einrichtungen und Personen sind verpflichtet, auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken. Dies hat die Staatsanwaltschaft Wien nach Ansicht des Landesgerichts unterlassen, "indem beispielsweise keine Zwischen- oder Abschlussberichte von der Polizei angefordert wurden", wie Gerichtssprecher Spreitzer erklärte. Auch die Auswertung eines für Observationsmaßnahmen eingesetzten Peilsenders liegt dem Vernehmen nach noch nicht vor, obwohl sie schon im vergangenen Juli angefordert wurde.
Angesichts der schleppenden Ermittlungen initiierte Philipp Wolm, der Verteidiger des mutmaßlichen Banden-Bosses, eine Haftprüfung. Am Ende der mehrstündigen nicht öffentlichen Verhandlung, bei der auch Zeugen gehört wurden, wurde dem Enthaftungsantrag des Verteidigers Folge gegeben. Wolm bestätigte das auf APA-Anfrage am Dienstagnachmittag, war im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen aber zu keiner weiteren Auskunft bereit. Der angebliche Drogen-Pate hat bisher sämtliche gegen ihn gerichteten Vorwürfe bestritten.