Alexander Wrabetz

ORF-Generaldirektor

Wrabetz: "Die Unabhängigkeit ist in Gefahr"

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ORF-Generaldirektor: Weißmann erfüllt Ausschreibungskriterien nicht.

oe24.TV: Sie treten zum vierten Mal als ORF-General­direktor an. Wie sehen Sie Ihre Chance, dass Sie es noch einmal werden?

Alexander Wrabetz: Die Chancen sind gut, wenngleich ich mit dem Kan­didaten von Herrn Fleischmann da einen heftigen ­Gegenkandidaten habe.

oe24.TV: Die ÖVP hat eine Mehrheit im Stiftungsrat. Wie soll sich das ausgehen?

Wrabetz: Weil ich glaube, wir sind in einem besonderen Jahr, wo wir eine Diskussion über die ÖBAG-Bestellungen und andere Bestellungen im öffent­lichen Raum hatten. Und da denke ich doch, dass man ganz ­besonders darauf schauen wird, ob die Stiftungsräte wirklich nach bestem Wissen und Gewissen und entsprechend den Ausschreibungskriterien eine Entscheidung treffen.

oe24.TV: Sie haben jetzt gerade den Vergleich mit der ÖBAG gezogen. Ist Roland Weißmann der Thomas Schmid des ORF?

Wrabetz: Das würde ich nicht sagen. Bei Thomas Schmid haben Ausschreibung und sein Qualifikationsprofil zusammengepasst. Jetzt kann man sagen: Wie ist die Ausschreibung zustande gekommen? Aber bei der ORF-Ausschreibung ist es klar, dass Roland Weißmann, der ein ordentlicher Abteilungsleiter ist, zum Beispiel die ausgewiesene Erfahrung in der Unternehmensführung bis jetzt nicht hatte. Insofern könnte man sagen, dass ­seine Qualifikationen für diese Ausschreibung geringer wären als jene von Schmid bei der ÖBAG.

oe24.TV: Was unterscheidet den Wrabetz-ORF denn vom Weißmann-ORF?

Wrabetz: Teile seines Konzepts hat Roland Weißmann aus der von mir vorgelegten ORF-Strategie 2025 wörtlich übernommen. Der Unterschied ist zwischen den Zeilen: Wie geht man mit der ORF-Information um? Gibt es weiter eine kritische Information und redaktionelle Freiheit wie bei mir, oder verspricht man sich, stärker auf diese Redaktionen und ihre Arbeit zugreifen zu können? Das ist der Unterschied. Das steht in keinem Programm, aber es ist die Realität. An der Information gab es vonseiten der ­Türkisen gerade im vergangenen Jahr wenig Kritik. Und da schien alles sehr gut. Dann kamen ÖBAG-Chats und U-Ausschuss-Diskussion, und da haben wir im ORF auch darüber berichtet, und dann gab es die Enttäuschung, dass es bei uns unabhängigen Journalismus gibt.

oe24.TV: Befürchten Sie eine Orbánisierung des ORF?

Wrabetz: Es wäre doch ein deutliches Signal, dass es nach den Angriffen auf die Justiz jetzt auch auf die Me­dien einen stärkeren Druck gibt. Es hat noch nie einen Mann wie den Medienbeauftragten im Kanzleramt gegeben, der über alles, was beim ORF passiert, entscheiden kann. Das ist schon eine besondere Machtzusammenballung, die es so in keinem­ anderen europäischen Land gibt. Wenn dann auch noch ein zentraler Chefredakteur kommt, kann es in Richtung Gefährdung der Unabhängigkeit gehen.  

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