Love Scam

Falsches Spiel mit echten Gefühlen

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Ein Sterbefall, eine Scheidung - Liebesbetrüger nutzen emotionale Tiefphasen im Leben von Menschen aus, um ihnen Geld herauszulocken.  

Das Kennenlernen läuft übers Internet, dann nimmt die Geschichte ihren Lauf. INSIDER sprach mit einer Betroffenen über ihre Erfahrungen als Opfer eines Liebesbetrügers.
Gefühle. Sie zeigen Anteilnahme, schenken besonders viel Aufmerksamkeit, haben Empathie, Charisma und erschleichen sich so das Vertrauen ihrer Opfer -mit dem Ziel, sie finanziell ausnehmen zu können: Liebesbetrüger (engl. "Love Scammer").

Eine Statistik gibt es nicht, Love-Scam-Fälle fallen unter das Delikt Betrug und werden nicht gesondert gezählt. Diese Betrugsform verdient aufgrund der Skrupellosigkeit, mit der Täter vorgehen, aber besondere Aufmerksamkeit. Die Täter oder Täterinnen spielen mit den Gefühlen ihrer Opfer. Die Betroffenen sind häufig einfach nur auf der Suche nach Halt im Leben, haben Angst vor dem Alleinsein, durchleben eine Trennung oder die Folgen eines Sterbefalls.

»Meine Freunde warnten mich, ich habe nicht auf sie gehört«

Beate N.(44) befand sich 2020 mitten in der Scheidung, als sie auf einer Dating-Plattform den angeblichen Chef einer Beratungsfirma, Norbert B. (46), kennenlernte. "Ich war ausgebrannt von der vielen Arbeit und stand vor den Scherben meiner langjährigen Ehe. Über die Jahre hatte mein Mann das Interesse verloren. Ich war emotional am Boden", erzählt die 44-jährige Juristin im Gespräch mit dem INSIDER.

Charme

Der 46-Jährige überzeugte bei den folgenden Dates in teuren Lokalen mit Eloquenz und Charme. Er war stets gut gekleidet. Sie erfuhr die emotionale Unterstützung, die sie brauchte. Was ihr damals schon auffiel: Er war immer verfügbar, sogar nachts. Beate N. sei ihm wichtig, und er könne sich als Chef die Zeit ohnehin frei einteilen. "Er drückte nicht nur auf die richtigen Knöpfe bei mir, sondern hatte für alles, was mir komisch vorkam, eine Erklärung. Ich wollte gar nicht an etwas Böses denken. Ich hatte die Energie nicht, und es ging mir ja gut, weil er für mich da war, mir liebe Nachrichten schickte und Blumen schenkte." Nach ihrer Scheidung zog Beate N. in eine neue Wohnung und Norbert B. zog bei ihr ein. Damals kannten sie einander erst wenige Wochen. Sie glaubte an einen Neuanfang. "Meine Freunde warnten, er sei viel zu schnell in mein Leben getreten, ich habe nicht auf sie gehört."

»Er würde klagen, wenn ich nicht 5.000 Euro überweise«

Dann änderte sich alles. Norbert B. zahlte keine Miete, borgte sich ständig ihr Auto, seines sei in der Werkstatt. Mit der Firma ging es plötzlich bergab. Er lieh sich laufend Geld. "Ich verdiene genug, deswegen half ich ihm aus. Ich hinterfragte die Dinge aber. Als ich nachhakte, wurde er immer aggressiv. Damit hatte ich ein ernstes Problem, und irgendwann häuften sich die Unstimmigkeiten. Ich kam dahinter, dass er gar keine Firma besaß und auch nicht der war, für den er sich ausgab. Nach drei weiteren Monaten beendete ich die Beziehung." Beate N. warf ihn aus ihrer Wohnung. Er spielte anfangs den gebrochenen Mann, weinte ins Telefon, flehte sie an, ihn nicht zu verlassen. Als er merkte, dass nichts half, drohte er plötzlich mit einer Klage wegen angeblicher Hotelkosten in Höhe von 5.000 Euro.

Appell 

"Mein Anwalt riet mir, alles zu ignorieren. Ich habe ihn danach auf allen Kanälen blockiert und nie wieder etwas von ihm gehört." Beate N. appelliert: "Er war wie eine Made, die sich einnistet. Ich will andere Frauen vor solchen Leuten warnen. Meistens weiß man bereits, dass etwas nicht stimmt und will es nur nicht wahrhaben."   

Kriminalist: »Sobald die erste Geldforderung da ist, ist es keine Liebe«  

Zu diesem Thema sprach INSIDER mit Kriminalist Claus Peter Kahn vom Bundeskriminalamt.

Claus-Peter Kahn
© Bundeskriminalamt
× Claus-Peter Kahn

Er kennt die Vorgehensweise bei Liebesbetrug.

Experte

Claus Peter Kahn ist Leiter des Büros für Betrug, Fälschung und Wirtschaftskriminalität im Bundeskriminalamt. Bei Liebesbetrug handele es sich um ein Delikt, das sich überwiegend in den sozialen Medien oder auf Dating-Plattformen abspielt -meistens komme es nicht einmal zu einem Treffen, weiß Kahn. Es betreffe Frauen und Männer gleichermaßen.

Fingierte Notlage 

"Betrüger schlüpfen bei Männern gerne in die Rolle einer osteuropäischen Frau, die Geld für Visum, Pass und Flugtickets benötigt, um ihre Bekanntschaft besuchen zu können. Bei Frauen ist es typischerweise der Soldat, Ingenieur etc., der im Ausland in eine Notlage gerät und Geld benötigt, um aus dieser fingierten Situation wieder herauszukommen. Sobald die erste Geldforderung da ist, muss klar sein: Das ist keine Liebe. Oft ist es schwierig, sich das einzugestehen. Wir raten, sofort den Kontakt abzubrechen."

Drei Phasen, die Opfer eines Liebesbetrugs durchlaufen

So spielen sich die Fälle meistens ab:
Phase 1. Der Betrüger baut eine Bindung zum Opfer auf.
Phase 2. Der Betrüger hat sich das Vertrauen seines Gegenübers mit viel Empathie erschlichen. In dieser Phase tritt die plötzlich schwer erkrankte Großmutter aufs Tapet oder ein Investor springt ab. Die angebliche Notlage hat eine starke emotionale Wirkung auf das Opfer, dem suggeriert wird, es sei die letzte Hoffnung, um aus einem Schlamassel rauszukommen. Die Kripo rät im Übrigen zu Vorsicht beim Versenden von Nacktbildern -sie sind ein beliebtes Druckmittel.
Phase 3. Das Opfer erkennt den Betrug und bricht den Kontakt ab. "Der Abbruch passiert de facto nur opferseitig. Kein Betrüger würde je auf die Idee kommen, Schluss zu machen. Für ihn rentiert es sich ja", sagt Kahn und hält fest, dass folgende Punkten zutreffen müssen, damit ein Betrugsfall vorliegt:

Vier Kriterien, ab wann von einem Betrugsfall die Rede ist

Täuschung. Der Betrüger erfindet einen Sachverhalt und erbittet Geld.
Irrtum. Das Opfer glaubt die falsche Geschichte.
Vermögensverschiebung. Das Opfer gibt dem Betrüger auf Grundlage dieser Lüge Geld oder bezahlt eine Miete, den Urlaub etc.
Schaden. Dem Opfer sind wegen des Schwindels Kosten entstanden.   

Larissa Eckhardt

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