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Bei AfD-Vortrag in Berlin

Kickl über Türkis-Blau: "Es waren harte Schlachten"

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''Ich habe rigoros abgeschoben und keine einzige Intervention durchgehen lassen'', sagte Herbert Kickl bei einem Vortrag in einer AfD-nahen Stiftung.

Berlin/Wien. Österreicher genießen in Deutschland grundsätzlich einen Sympathiebonus. Wenn sie auch noch die eigene Weltanschauung verkörpern und politisch dort schon waren, wo man selbst hin möchte, dann erst recht. Somit hatte der österreichische Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) leichtes Spiel bei seinem Vortrag heute, Dienstag, Abend vor der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung in Berlin.
 
Video zum Thema: FPÖ und AfD intensivieren Zusammenarbeit
 
In der ersten Reihe der "Bibliothek des Konservatismus" sitzt die AfD-Abgeordnete Alice Weidel. Begrüßt wird der Gast aus Österreich, dessen Ausführungen eine Kamera von "FPÖ-TV" festhält, durch Erika Steinbach. Sie war lange Zeit Unionspolitikerin und hat vor drei Jahren die CDU im Zorn verlassen. Nun steht sie der AfD-nahen Stiftung vor. Bekannt wurde sie einst in Deutschland als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Sie müsste es wissen, doch bei ihr ist Vertriebener nicht gleich Vertriebener, denn sie warnt vor Massenmigration und stellt gleich einmal klar: "Es ist nicht Aufgabe der EU Menschen aus dem Meer zu retten."
 
"Themen der Zeit" lautet der Titel des einstündigen Vortrags des FPÖ-Klubobmanns, doch es wird vielmehr eine höchst selbstzufriedene Bilanz seiner Arbeit als Innenminister. Letztlich geht es auch nicht um Themen, sondern lediglich um ein Thema: Migration. Er erzählt von seinem Besuch bei seinem deutschen Amtskollegen Horst Seehofer (CSU), der sich damals vom Kickl-Schwung nicht habe anstecken lassen "die Asyl- und Migrationspolitik vom Reaktions- in den Aktionsmodus zu bringen". Mitunter klingen seine Deutungen historischer Ereignisse originell: "Er sitzt noch im Sattel, während ich meinen Innenministerposten los bin. Das zeigt, wie das System reagiert, wenn man versucht, die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen."
 
"Lassen Sie sich von Sebastian Kurz nicht täuschen", warnt Kickl, "er ist links-infiziert, das sind auch die konservativen Parteien, hier wie in Österreich." Die Koalition mit der ÖVP habe nach außen sehr harmonisch gewirkt, "aber es waren harte Schlachten", sagte Kickl vor den von Bücherregalen eingerahmten etwa 60 andächtig lauschenden AfD-Nahen und -Nächsten.
 
Dann folgt eine Aufzählung aller Maßnahmen, mit denen Kickl als Minister die Dinge wieder dorthin rückte, wo sie seiner Meinung nach sein sollten, etwa dem Sozialsystem einen Honigtopf-Anreiz nehmen. Er erzählt, wie er die Handys der Asylanten konfiszieren ließ, ihnen die mitgebrachten Barschaften abnahm, aus Erstaufnahmezentren Ausreisezentren machte. Keinen Zweifel lässt er daran, dass Asylsuchende nicht schutzbedürftig nach Europa kommen, sondern ausschließlich Unreelles im Schilde führen, und das fällt in seiner Zuhörerschaft auf dankbaren Boden.
 
"Ich habe rigoros abgeschoben und keine einzige Intervention durchgehen lassen." Wenn Kickl besonders schneidig berichtet, wird er mit anerkennendem Applaus des Publikums bedacht. "Ich hätte es mir gewünscht, dass wir einen Bruchteil in Deutschland umgesetzt hätten, wie Sie es in Österreich umgesetzt haben", seufzt Erika Steinbach nach Kickls Ausführungen.
 
Interessant wird es in der Fragerunde: Wie sein Ministerium auf ihn reagiert habe, will einer wissen. "Schrecklich", antwortet Kickl. Er sei in ein seit Jahren von der ÖVP dominiertes Ressort gekommen. "Ich habe den Koalitionspartner in gewisser Weise als Feind gesehen und er mich. Nach ein paar Monaten beginnt man den Apparat umzubauen, so geht das Stück für Stück." Andere Parteien müssten sich wohl bei solchem Vorgehen den FPÖ-Vorwurf brutaler Umfärbung gefallen lassen. Doch Kickl ist überzeugt vom eigenen Weg und bedauert, dass gerade, als seine Partei "recht gut Tritt gefasst" habe, das Ibiza-Video dazwischen gekommen sei.
 
Was bleibt von Herbert Kickl, fragt ein Zuhörer. "Vieles ist schon in der Übergangsphase ramponiert worden", antwortet der FPÖ-Politiker. Alle Rücknahmen seiner Entscheidungen seien systematisch durch Sebastian Kurz betrieben worden. Ein Mann möchte wissen, wie die FPÖ mit ihrem rechten Rand umgeht. Eine pikante Frage an jenem Tag, an dem eine Bundestagsabgeordnete der AfD wegen des "rechtsextremen Flügels" aus der Partei ausgetreten ist. "Bei uns heißt das der rechte Narrensaum, statistisch unbedeutend", relativiert Kickl. Für ihn liege die Grenze im Strafrecht.
 
 Soll die AfD Regierungsverantwortung übernehmen, will noch jemand wissen. "Tun und Mut braucht es", belehrt der freiheitliche Elder Statesman aus Österreich die deutschen Gesinnungsgenossen. "Es gibt Zeitfenster, und da muss man zugreifen." Ein solches ist für die FPÖ vorerst einmal geschlossen.
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