Die Zahl der in Österreich in Tierversuchen verwendeten Tiere ist im vergangenen Jahr wieder gestiegen: 2021 wurden 218.244 Tiere für diesen Zweck eingesetzt, das sind um 5,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor (206.469). 2019 waren es noch 246.315 Tiere.
Das geht aus der Tierversuchsstatistik 2021 hervor, die vom zuständigen Bildungsministerium veröffentlicht wurde.
Das Tierversuchsgesetz (TVG) sieht vor, dass Tierversuche in vier Schweregrade eingeteilt werden: Mit 115.511 Tieren (2020: 109.752) entfällt etwas mehr als die Hälfte in die Kategorie "gering" (Schweregrad zwei). Dazu zählen Versuche, bei denen "kurzfristig geringe Schmerzen, Leiden oder Ängste" zugefügt werden, oder Versuche ohne wesentliche Beeinträchtigung des Wohlergehens oder des Allgemeinzustands der Tiere, beispielsweise Ohr- oder Schwanzspitzenbiopsien.
Schweregrad Eins
Als Schweregrad eins ("keine Wiederherstellung der Lebensfunktion") stuft das Gesetz Versuche ein, die gänzlich unter Vollnarkose durchgeführt werden, aus der das Tier nicht mehr erwacht. Im vergangenen Jahr wurden an 5.408 Tieren (2020: 4.825) solche "Terminalversuche" durchgeführt.
Schweregrad Drei
Versuche, die "kurzzeitig mittelstarke Schmerzen, Leiden oder Ängste oder lang anhaltende geringe Schmerzen" verursachen (Schweregrad drei), etwa bei chirurgischen Eingriffen unter Narkose mit mittelschweren postoperativen Schmerzen, mussten im Vorjahr 75.357 Tiere (im Vergleich waren es 2020: 69.755) erdulden.
Schweregrad Vier
Zum Schweregrad vier zählen Versuche mit "starken Schmerzen, schweren Leiden oder Ängsten oder lang anhaltenden mittelstarken Schmerzen, Leiden oder Ängsten", wie sie etwa bei Verpflanzungen artfremder Gewebe (Xenotransplantationen) oder bei vollständiger Isolierung geselliger Tiere über einen längeren Zeitraum auftreten. 2021 entfielen 21.968 Tiere (2020: 22.137) in diese Kategorie.
Nach Verwendungszweck werden die meisten Tiere für angewandte Forschung im Bereich "Infektionskrankheiten des Menschen" (28.687) eingesetzt, gefolgt von Grundlagenforschung im Bereich "Multisystemisch" (25.104) und angewandter Forschung im Bereich "Krebserkrankungen des Menschen" (23.925).
Betroffene Tierarten
Die am häufigsten bei Versuchen eingesetzten Tiere sind Mäuse (165.884), gefolgt von Zebrafischen (24.463), den Kategorien "andere Fische" (6.448) und "andere Amphibien" (5.316), Ratten (3.769), Haushühnern (3.542) und Schweinen (2.566).
Immer wieder gab es Proteste von Tierrechtsaktivistinnen und -Aktivisten, weil etwa an der Veterinärmedizinischen Universität Wien unter anderem noch Versuche an und mit Hunden stattfinden. Tierversuche stehen generell oft in der Kritik, dass die Ergebnisse gar nicht direkt auf den Menschen übertragbar und somit hinfällig wären. Im universitären Kontext wird sich auf den Bildungs- und Forschungscharakter der Experimente mit Tieren berufen.
Sinnhaftigkeit oftmals fragwürdig
Zwischen Tier und Mensch bestehen vielfältige Unterschiede hinsichtlich Körperbau, Organfunktionen, Stoffwechsel, Ernährung, Psyche und Lebensgewohnheiten. Aber auch die einzelnen Tierarten unterscheiden sich deutlich voneinander. Die Folge ist, dass Tiere verschiedener Arten auf Chemikalien und Medikamente unterschiedlich reagieren. Zum Beispiel vertragen Katzen das Schmerzmittel Paracetamol viel schlechter als Hunde, weil ihre Leber es nur langsam abbauen kann. Die übliche Dosierung eines Mittels gegen Hautpilz (Insol) ist für Meerschweinchen doppelt so hoch wie für ein Pferd, obwohl dieses 500 Mal schwerer ist. Meerschweinchen dagegen sterben an geringen Mengen Penicillin. Katzen vertragen Penicillin sehr gut, sterben allerdings an einem bestimmten Flohmittel für Hunde (Exspot). Ein anderes Flohmittel (Frontline) vertragen Hunde und Katzen gleich gut, Kaninchen jedoch nicht. Nicht anders ist das bei Tier und Mensch. Was für den Menschen schädlich ist, kann für ein Tier harmlos sein oder umgekehrt. Nach der Durchführung eines Tierversuchs kann nicht vorausgesagt werden, ob Menschen genauso oder anders reagieren werden. Im Gegenteil: Die Wirkungs- und Verträglichkeitsunterschiede sind häufig so gravierend und die Wirkungen oft so entgegengesetzt, dass die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierexperimenten auf die menschliche Situation ein absolut unkalkulierbares Risiko darstellt.
Neben den tierartlichen Unterschieden gibt es natürlich auch individuelle Unterschiede innerhalb einer Art. Wenn in der U-Bahn zwei Personen von jemandem angeniest werden, bekommt der eine einen Schnupfen, der andere nicht. Ob Sie sich anstecken, hängt unter anderem davon ab, wie fit Ihr Immunsystem ist und das wiederum ist abhängig davon, wie Sie sich ernähren, ob Sie rauchen, viel Stress haben, von psychischen und sozialen Faktoren sowie unbekannten Komponenten. Bei Tieren ist das nicht anders.
So hat schon so manches Meerschweinchen eine aus Unwissenheit gegebene Penicillininjektion überlebt, anderen Nagern hat es das Leben gekostet. Ein mittelgroßer Mischlingshund überstand eine Vergiftung mit Ibuprofen schadlos, obwohl er eine ganze Packung gefressen hatte. Ein etwa gleich großer Hund wurde nach nur einer Tablette Ibuprofen mit lebensbedrohlichen Magenblutungen in eine Tierklinik eingeliefert.
Laborbedingungen
Die Natur ist eben nicht linear. Die tierexperimentell ausgerichtete Forschung versucht diese natürlichen Unregelmäßigkeiten zu eliminieren, indem Tiere, Haltung und Versuchsanordnung standardisiert werden. Alles soll möglichst gleich ablaufen, damit die Versuche reproduzierbar sind. Zum Teil werden Tiere gentechnisch manipuliert, um sie noch gleicher zu machen. Diese künstlich erzeugten Bedingungen unterscheiden sich allerdings vollkommen von dem normalen Umfeld des menschlichen Patienten. Denn welcher Mensch lebt, isst und verhält sich schon wie unter „Laborbedingungen“?
Künstlich hervorgerufene Symptome
Gesunde Tiere und Menschen unterscheiden sich stark voneinander. Da die meisten menschlichen Krankheiten natürlicherweise bei Tieren nicht vorkommen, werden die Symptome auf künstliche Weise in sogenannten „Tiermodellen“ nachgeahmt. Die künstlich hervorgerufenen Symptome haben jedoch nichts mit den menschlichen Krankheiten, die sie simulieren sollen, gemein. Menschen werden lebenslang mit einer Unzahl verschiedenster Einflüsse konfrontiert, die sich häufig gegenseitig beeinflussen. Ernährung, Lebensgewohnheiten, Verwendung von Suchtmitteln, schädliche Umwelteinflüsse, Stress, psychische und soziale Faktoren spielen bei der Entstehung von Krankheiten und deren Heilung eine ausschlaggebende Rolle. Diesem Umstand wird im Tierversuch keinerlei Rechnung getragen. Ergebnisse aus Studien mit Tieren sind daher irreführend und irrelevant.
Umgekehrt weiß niemand, wie viele sinnvolle Medikamente nie auf den Markt gelangen, weil sie aufgrund von irreführenden Tierversuchen vorzeitig aussortiert werden. Viele heute segensreiche Arzneien wie Aspirin, Ibuprofen, Insulin, Penicillin oder Phenobarbital wären uns vorenthalten geblieben, hätte man sich schon in früheren Zeiten auf den Tierversuch verlassen. Diese Stoffe rufen nämlich bei bestimmten Tierarten zum Teil aufgrund unterschiedlicher Stoffwechselvorgänge schwere Schädigungen hervor. Sie wären bei der heutigen Vorgehensweise der Wirkstofffindung durchgefallen.
Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 04.Dezember 2022, hier in voller Länge sehen.
Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 11.Dezember 2022, 18:30 Uhr.