Verzweifelter Kampf

Assange fürchtet bei Auslieferung um sein Leben

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Für Washington ist Julian Assange ein Staatsfeind. Seine Unterstützer hingegen feiern den Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks als Kämpfer für die Pressefreiheit, weil er Geheimdokumente über mutmaßliche Verbrechen der US-Armee veröffentlichte. 

Seither wird der Australier verfolgt, seit fünf Jahren sitzt er in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. Nun zieht sich die Entscheidung über eine mögliche Auslieferung in die USA noch einmal hin: Der Londoner High Court hat die Entscheidung über eine letzte Berufungsmöglichkeit für Assange am Dienstag vertagt und neue Garantien von den USA gefordert.

In den USA droht dem WikiLeaks-Gründer lebenslange Haft. "Wenn er ausgeliefert wird, wird er sterben", befürchtet seine Frau Stella Assange. Seine körperliche und psychische Verfassung sei schlecht, jeder weitere Tag im Gefängnis eine Gefahr für sein Leben. Gutachter beschreiben Assange als depressiv und suizidgefährdet. "Es geht ihm nicht gut", sagte auch sein Anwalt Edward Fitzgerald zu Beginn einer Anhörung im Februar, deshalb sei Assange nicht vor Gericht erschienen.

70.000 vertrauliche Dokumente veröffentlicht

Die USA wollen Assange wegen Spionage den Prozess machen. Ab 2010 veröffentlichte WikiLeaks mehr als 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA vor allem im Irak und in Afghanistan. Die Dokumente enthalten brisante Informationen, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.

Assanges Unterstützer halten die Strafverfolgung für politisch motiviert. Das Londoner Gericht soll nun entscheiden, ob in Großbritannien alle Rechtsmittel gegen eine Auslieferung ausgeschöpft sind - oder ob Assange weiter vor britischen Gerichten dagegen vorgehen darf.

Zuvor setzten die Richter den Anwälten der US-Regierung am Dienstag aber eine Frist von drei Wochen, um "auf zufriedenstellende Weise" zu garantieren, dass Assange bei einem Verfahren in den USA unter dem Schutz der Gesetze zur Meinungsfreiheit stehe und dass ihm nicht die Todesstrafe drohe.

Schon jetzt hat Assange einen hohen Preis für seine Enthüllungen bezahlt. 2012 floh er in die ecuadorianische Botschaft in London. Damals wurde ihm in Schweden Vergewaltigung vorgeworfen - ein Verfahren, das später eingestellt wurde. Ecuador gewährte dem Australier politisches Asyl und er versteckte sich sieben Jahre lang in der Botschaft.

In der Botschaft verliebte er sich in seine damalige Anwältin und heutige Frau und bekam mit ihr zwei Kinder. Doch nach einem Machtwechsel in Quito übergaben die Ecuadorianer Assange 2019 der Polizei. Seither wird er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons festgehalten - unter Bedingungen, die der damalige UNO-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, nach einem Besuch als "psychische Folter" beschrieb.

Assange wuchs bei seiner Mutter auf, einer Künstlerin, mit der er in den ersten 15 Lebensjahren in mehr als 30 Orten in Australien lebte. Später studierte er in Melbourne Mathematik, Physik und Informatik und bekam seinen ersten Sohn.

Schon als Teenager war Assange talentierter Hacker

Bereits als Teenager entdeckte Assange sein Talent als Hacker und knackte die Websites der NASA und des Pentagon. Mehrfach musste er deswegen Geldstrafen zahlen. 2006 gründete Assange mit gleichgesinnten Aktivisten und IT-Experten WikiLeaks. "Wir schaffen einen neuen Standard für eine freie Presse", sagte er 2010 der Nachrichtenagentur AFP.

WikiLeaks sorgte für Aufsehen, etwa 2010 mit der Veröffentlichung eines Videos, das tödliche Schüsse aus einem US-Kampfhubschrauber auf Zivilisten in Bagdad im Jahr 2007 zeigte. Die Aufnahmen lösten international Empörung aus.

Assanges Image als weißhaariger "Cyber-Warrior" litt im Laufe der Jahre - insbesondere als WikiLeaks 2016 während des US-Präsidentschaftswahlkampfs tausende E-Mails aus dem Team der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton veröffentlichte, was dem Republikaner Donald Trump zugute kam. Laut dem US-Geheimdienst stammten die Dokumente von russischen Agenten, was WikiLeaks jedoch bestreitet. Diese Veröffentlichung nährte bei Kritikern den Verdacht, Assange arbeite mit Russland zusammen.

Als WikiLeaks Dokumente ungeschwärzt veröffentlichte und damit Quellen gefährdete, brachte Assange das auch die Kritik jener Medien ein, die zuvor mit ihm zusammengearbeitet hatten. Dennoch forderten "Der Spiegel", die "New York Times" und andere Zeitungen 2022 Washington auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen: "Denn Journalismus ist kein Verbrechen."

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