Ägypten? Snowden? Wie schalten live nach Sanford....

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Derzeit beschäftige ein Mordprozess die US-Medien mehr als Snowden und Ägypten!

Der Konsum der News-Kanäle wirkt derzeit so, als wäre die USA in ein Paralleluniversum abgerutscht. Nicht dass sich eine ganze Menge tun würde: Durchaus nicht uninteressant wäre die Berichterstattung über den größten Verlust an Staatsgeheimnissen in der US-Geschichte durch NSA-Leaker Ed Snwoden. Nennenswert könnten auch die laufenden Enthüllungen sein, dass die NSA heute einem "Big Brother" gleicht, den sich selbst George Orwell so nicht vorstellen konnte, wie mir NSA-Kenner und Bestseller-Autor Jim Bamford jüngst erzählte. Diese Ägyptensache könnte sich ja auch ab und wann auf die CNN-Bildschirme verirren: Immerhin putschte gerade die Armee im wichtigsten Staates des Pulverfasses Nahost.

Wenig davon war in den letzten Tagen mitzubekommen: Denn alle News-Kanäle übertragen nonstop den Mordprozess gegen Nachbarschaftswächter George Zimmerman, der im Februar 2012 in Sanford den schwarzen Teenager Trayvon Martin erschoss. CNN, Fox, MSNBC, HNL, es gibt kein Entrinnen vor dem Zimmerman-Marathon.

Offenbar bin ich in der Minderheit, die Quoten sind wahrscheinlich gut und die Hoffnung nach einem neuen Hit wie den OJ-Prozess in den Neunzigern groß. Doch das Ausmaß der Live-Berichterstattung erreicht immer groteskere Ausmaße - vor allem angesichts der gewaltigen Verwerfungen außerhalb des kleinen Gerichtssaals in dem Florida-Kaff: Gerade als in Kairo Millionen die Absetzung Mursis forderten, lief im US-TV die Aussage eines Zeugen via Skype, bis der andere Anrufe erhielt und der ganze TV-Scbirm mit Skype-Botschaften zugepflastert war. Nicht einmal in den Prozess-Pausen konnte das turbulente Weltgeschehen wenigstens kurz abgehandelt werden. In den Studios hockten all die geladenen Justiz-Experten, die die Bedeutung von jedem Kratzer an Zimmermans kahlgeschorenem Kopf analysieren mussten. Die Krönung fast: Da sprach am Dienstag etwa Mursi live in Ägypten-TV und lehnte das Militär-Ultimatum ab, als selbst der staatstragende Wolf Blitzer nach einer Kurzeinblendung der Massen in Kairo verkündete: "Wir gehen jetzt wieder zum Zimmerman-Prozess..."

Wenigstens als Mittwochnachmittag (US-Zeit) die Generäle Mursi wegputschten und Millionen feierten, blieb CNN eine Weile dran. Erschreckend daran zu denken, welche Zeugen und Skype-Bomben im Zimmerman-Prozess versäumt wurden. Keine Sorge: Um 18 Uhr war der schießwütige Hobby-Guard wieder die Aufmachermeldung Nr. 1. Zum Glück gibts Al Jazeera online und seit kurzem Sky News auf Apple TV...

Mehr von unserem US-Korrespondenten Herbert Bauernebel finden Sie hier auf AmerikaReport.com

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