Listerien in Rotschimmelkäse, Quargel etc. sind ein "Klassiker". Jetzt haben Wissenschafter - unter anderem vom Institut Pasteur in Paris - offenbar erstmals Listeriosefälle durch vegane Käseprodukte in mehreren europäischen Ländern eindeutig belegt.
Sie haben ihre Erkenntnisse im "New England Journal of Medicine" berichtet. "Vegane Käseersatzprodukte wurden als Alternative zu Rohmilch-Käse für Personen mit einem Risiko für Listeriose-Infektionen empfohlen, auch für Schwangere. Wir berichten von einem Listeriose-Ausbruch in Frankreich zwischen April und Dezember 2022, der vier schwangere Frauen betraf, die Frühgeburten (im Mittel nach 32 Schwangerschaftswochen) erlitten und vom Fall einer 38-jährigen Person mit geschädigtem Immunsystem, die an einer Meningoenzephalitis (Entzündung von Gehirn und Gehirnhäuten; Anm.) erkrankte", schrieben Alexandre Leclercq vom Institut Pasteur in Paris und seine Co-Autoren in der angesehensten Medizin-Fachzeitschrift der Welt vor wenigen Tagen (DOI: 10.1056/NEJMc2400665).
Nach einer Warnung der französischen Behörden wurden weitere Fälle in Belgien (bei einem dreijährigen Kind), in Deutschland (bei einer Person mit schwangerschaftsassoziierter Sepsis) und in den Niederlanden (Meningitis bei Baby nach der Geburt) entdeckt, schrieb jetzt auch das Deutsche Ärzteblatt. Die Wissenschafter sequenzierten die Erbanlagen der Listerien, welche die schweren Infektionen verursacht hatten: Die Bakterien waren faktisch ident. Bei der Befragung der Betroffenen stellte sich heraus, dass sie veganen Käse der Marke "Jay & Joy" eines französischen Herstellers konsumiert hatten. Im Jänner 2023 rief der Produzent mehrere Sorten der Marke "Jay & Joy" zurück.
Produktrückruf
Der Produktrückruf betraf ein veganes Gänseleber-Ersatzprodukt genauso wie Ersatzprodukte für Brie oder Blauschimmelkäse. "Aus roher Mandel-, Cashew- oder Kokosnussmilch hergestellt, imitieren diese alternativen halb weichen Substitutionsprodukte sonstige Milchprodukte (z.B. Camembert, Ziegen- und Blauschimmelkäse)", schrieben die an der Aufarbeitung der Affäre beteiligten Wissenschafter.
Ein mögliches Problem, so die Experten: "Solche Produkte werden als gesünder als Käse aus (tierischer; Anm.) Milch und als frei von Nahrungsmittel-bedingten Krankheitserregern vermarktet, weil sie pflanzenbasiert sind. Aber sie werden keiner Hygiene-Maßnahme wie Pasteurisierung unterzogen, um Kontaminationen im Ausgangsmaterial, in der Produktion oder nach der Herstellung unter Kontrolle zu halten."
Guter Nährboden
Dabei sind die aus pflanzlichen Quellen stammenden Milchsorten offenbar potenziell ein guter Nährboden auch für Listerien. In einer von Marc Lecuit (Institut Pasteur/Paris) im New England Journal of Medicine zitierten Vergleichsstudie wuchsen die Listerien in aus Nüssen hergestellter Milch sogar deutlich schneller als in Kuhmilch (Food Microbiology 2023; DOI: 10.1016/j.fm.2022.104143).
Die physikalisch-chemischen Eigenschaften dieser Produkte (etwa pH-Wert und Wasseraktivität) würden das Wachstum von L. monocytogenes ermöglichen, schrieb Lecuit weiter. Zumindest in den Vereinigten Staaten würden die veganen Ersatzprodukte weiterhin in einer unangebrachten Weise als sichere Alternativen für Rohmilchprodukte tierischen Ursprungs angepriesen. Dabei seien auch Salmonellen-Kontaminationen nachgewiesen worden. Die Hersteller sollten sich der Risiken von Krankheitserregern auch in veganen Käsesorten bewusst sein.
Listerien sind dafür bekannt, besonders bei älteren oder abwehrgeschwächten Menschen lebensgefährliche invasive Infektionen auslösen zu können. Erst vor kurzem stand in Wiener Neustadt der Geschäftsführer einer mittlerweile geschlossenen Käserei wegen Listerienfällen (grob fahrlässige Tötung in fünf Fällen und grob fahrlässige schwere Körperverletzung in zwei Fällen) vor einem Strafgericht und wurde zu 13 Monaten Haft verurteilt.