EU-Gipfel

EU-Chefs geben Emmanuel Macron eine Chance

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Viktor Orban beißt sich auf die Zunge.

Die EU-Chefs wollen den ehrgeizigen Reformplänen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Chance geben. Beim EU-Gipfel in Tallinn sind die Vorschläge Macrons auf positive Resonanz gestoßen, doch wurde auch klar, dass viele seiner Ideen nicht mehrheitsfähig sind. Auffallend war vor allem das beredte Schweigen von "üblichen Verdächtigen" wie dem ungarischen Premier Viktor Orban.
 
Kern: "Guter Beginn"
 
Orban und andere Vertreter der Visegrad-Staaten hätten sich bei dem informellen Abendessen zur Zukunft Europas am Donnerstagabend nicht zu Wort gemeldet, verlautete am Freitag aus Diplomatenkreisen. "Brav" verhielt sich auch die britische Premierministerin Theresa May. Sie bekräftigte, dass London auch nach dem Brexit sicherheitspolitisch in Europa engagiert bleiben werde. "Heute haben die Stimmen überwogen, die diesen Weg gehen wollen, die eine entschlossenere europäische Politik wollen für ein gemeinsames Europa", sprach Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) von einem "guten Beginn" für die Reformdiskussion.
 
Er selbst habe Macrons Pläne im Kreise der EU-Chefs "massiv unterstützt", sagte Kern. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel stellte sich hinter den französischen Präsidenten. "Ich bin der festen Überzeugung, dass Europa nicht einfach stehen bleiben darf", sagte sie. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, bis Mitte Oktober einen Fahrplan für die Reformagenda ausarbeiten zu wollen. Und der rumänische Präsident Klaus Iohannis (Johannis) lud seine Kollegen gleich zu einem EU-Reformgipfel am 30. März 2019 in seiner Heimatstadt Sibiu (Hermannstadt) ein. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Sibiu als jenen Ort, bei dem die Reformen beschlossen werden sollen, ins Spiel gebracht.
 
Euro-Finanzminister?
 
Inhaltlich blieb in Tallinn noch vieles unklar. Hinter vorgehaltener Hand sagten Diplomaten, dass Macrons Wunsch nach einem Euro-Finanzminister und Eurozonen-Budget kaum Umsetzungschancen hat. Letztlich werden wohl ein paar Teilaspekte umgesetzt werden, und auch das nur von einer Staatengruppe. So gesehen ist die Zurückhaltung des euroskeptischen Lagers in Mitteleuropa, aber auch Skandinavien, nachvollziehbar. Soll Macron nur machen, das geht uns nichts an, lautete da wohl die Devise.
 
Kern machte klar, dass er Österreich an der Seite Macrons sieht. Die von Frankreich angeführte Staatengruppe dürfte noch heuer konkrete Vorschläge machen, wie einzelne Staaten etwa in der Wirtschafts- und Steuerpolitik voranschreiten könnten. Wien sollte hier unbedingt dabei sein, sagte der SPÖ-Chef. "Wir wollen kein Nachtwächter-Europa, das sich nur auf Sicherheit und das Zusperren der Grenzen beschränkt", sagte er mit Blick auf die europapolitischen Prioritäten von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der ihm bei der Nationalratswahl seinen Job abjagen will. Nach der Wahl werde es eine "Klärung" in der Europapolitik brauchen, ließ der Kanzler keinen Zweifel daran, dass er Kurz eher im europaskeptischen Lager verortet. Die ÖVP sei im Vergleich zu den anderen österreichischen Parteien "fast am defensivsten Rand bei diesen Geschichten".
 
EU-Chefs geben Emmanuel Macron eine Chance
© APA/AFP/ILMARS ZNOTINS
 
Merkel war in der estnischen Hauptstadt vor allem bemüht, ihr ramponiertes Image als stärkste Frau Europas aufzupolieren. Sie werde die Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen gegen alle Widerstände durchziehen, signalisierte sie Diplomatenangaben zufolge ihren Amtskollegen. Positiv aufgenommen wurde, dass sie den als Euro-Hardliner geltenden Finanzminister Wolfgang Schäuble dazu überreden konnte, Bundestagspräsident zu werden. Dass sie mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier ihre rechte Hand zum kommissarischen Finanzminister machte, werten Beobachter als Zeichen für den ungebrochenen Gestaltungswillen Merkels.
 
Merkels Vermächtnis
 
Der Wahlausgang hat Merkels Spielraum eingeengt, und sie muss sich auf zunehmende interne Kritik an ihrem Europakurs gefasst machen, meint der EU-Experte Yann-Sven Rittelmeyer. "Angela Merkel wird dann wahrscheinlich stärker an ihrem Vermächtnis interessiert sein als daran, die Einheit ihrer Partei zu erhalten", sagt der Mitarbeiter des European Policy Center der APA. Für deutsche Kanzler sei das europäische Projekt nämlich immer von zentraler Bedeutung, und Merkels Vermächtnis sei bisher "eher beschränkt und umstritten". Außerdem, so Rittelmeyer, führt die Schwächung Merkels auch zu einem "neuen Gleichgewicht im französisch-deutschen Paar".
 
Merkel habe den Staats- und Regierungschefs versichert, dass die deutsche Regierungsbildung die EU-Reform nicht verzögern werde, berichtete Kern. Die Zeit drängt nämlich, da die Neuaufstellung der Europäischen Union vor dem Brexit, der Europawahl 2019 und insbesondere auch dem traditionell zu massiven Streit unter den EU-Staaten führenden Feilschen um das EU-Mehrjahresbudget ab 2020 abgeschlossen sein sollen.
 
In Tallinn hat der Countdown zum Reformgipfel am 30. März 2019 in Sibiu begonnen. Eine weitere Mammutaufgabe für die österreichische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018, für die schon in zwei Wochen die entscheidenden Weichen gestellt werden: bei der Nationalratswahl.
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