Der EU-Gipfel wird zu einem Machtpoker. Die Nettozahler Österreich, Schweden, Niederlande, Dänemark fordern ein geringeres Volumen für den Aufbaufonds und riskieren damit einen Abbruch des Gipfels. Mit an Bord ist inzwischen Finnland. Die "Sparsamen Fünf" darunter Bundeskanzler Kurz wollen das Gesamtvolumen um 50 Milliarden auf 700 Milliarden Euro zu kürzen. Ein großer Streitpunkt ist jedoch, wie viel des Geldes als Kredit und wie viel als Zuschuss, der nicht zurückzuzahlen ist, vergeben wird.
Von den ursprünglich 500 Milliarden Euro Zuschüssen, machten die "Frugalen" ein "letztes Angebot" von 350 Milliarden Euro. Die Frage bleibt, ob den südlichen Ländern, Wie Italien, Spanien und Portugal, sowie einigen östlichen EU-Staaten 350 Milliarden Euro Zuschüsse ausreichen werden. Neben dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte profiliert sich vor allem Kurz mit Härte.
Gegenüber Kurz mit den "Frugalen" treten Macron und Merkel auf. Die beiden legten den ursprünglichen 750-Milliarden-Vorschlag vor. Damit lösten sie den Widerstand der "Sparsamen Fünf" aus. Macron und Merkel versuchen nun den Betrag bei zumindest 400 Milliarden zu halten. Macron soll bereits auf den Tisch gehauen haben und auch Merkel zeige sich laut "Bild"-Bericht zunehmend genervt von den hartnäckigen Verhandlungen.
Kurz "sehr zufrieden" mit "heutigem Ergebnis"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich positiv zum Verlauf des EU-Gipfels zum EU-Finanz- und Konjunkturpaket nach der Coronakrise geäußert. "Harte Verhandlungen sind gerade zu Ende gegangen, wir können mit dem heutigen Ergebnis sehr zufrieden sein. Am Nachmittag geht es weiter", schrieb Kurz Montagfrüh auf Twitter.
Beim EU-Gipfel zum 1,8 Billionen Euro schweren Finanzpaket in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs am Montagfrüh nach Angaben von Diplomaten auf einen wichtigen Aspekt des Aufbaufonds geeinigt. Es bestehe eine Einigung, dass der Fonds 390 Milliarden Euro an Zuschüssen enthalten sollte, hieß es in Ratskreisen. Der Rest soll als Kredite vergeben werden. Das Gesamtvolumen des Aufbaufonds soll nunmehr - wie ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen - 750 Milliarden Euro ausmachen, hieß es in Ratskreisen.
Außerdem hieß es in Ratskreisen, der EU-Budgetrabatt für Österreich sollte noch weiter steigen. Nach dem bisherigen Entwurf hätte Österreich einen jährlichen EU-Budgetrabatt in Höhe von 287 Millionen Euro.
Merkel und Macron vorsichtig optimistisch
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron haben sich vorsichtig optimistisch zu den Einigungschancen beim EU-Gipfel geäußert. Merkel sagte am Montag im Brüsseler Ratsgebäude, es gebe "Hoffnung, dass es heute vielleicht zu einer Einigung kommt oder eine Einigung möglich ist". Macron äußerte sich ähnlich, fügte aber hinzu, er bleibe "sehr vorsichtig".
"Wir haben gestern Nacht nach langer Verhandlung einen Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet. Das ist ein Fortschritt", so Merkel. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron will an ihrer Seite weiterkämpfen. In den nächsten Stunden gehe es um die Bindung der Vergabe der Mittel aus dem Aufbaufonds an Klimakriterien sowie die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, so Macron.
Der französische Staatspräsident geht "entschlossen" in die Verhandlungen, wie er nach einer Gipfelnacht, die in den frühen Morgenstunden endete, sagte. Große Fortschritte sind ihmzufolge bereits hinsichtlich der Funktionsweise des Fonds gemacht worden. Das sensibelste Thema der letzten Tage seien dessen Gesamtvolumen und der Anteil der nicht-rückzahlbaren Zuschüsse gewesen.
Auch hier habe es Fortschritte gegeben, nun müsse man in die Details gehen. Ein neuer Vorschlag müsse ein Kompromiss sein, "wo sich jeder bewegt", aber der Ehrgeiz für eine große Politik der Zukunft Europas bewahrt werde", sagte er und zählte die Klimapolitik, die Digitalisierung und Maßnahmen für die Jugend auf.
Von der Leyen: "Verhandlungsmarathon in entscheidender Phase"
Nach Ansicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) tritt der EU-Gipfel nach drei Tagen und Nächten "Verhandlungsmarathon" nun in die "entscheidende Phase" ein. "Ich habe den Eindruck, dass die Europäischen Staats- und Regierungschefs wirklich zu einer Einigung kommen wollen. Sie zeigen den klaren Willen, eine Lösung zu finden", sagte die Kommissionschefin und zeigte sich zuversichtlich für den heutigen Verhandlungstag. "Wir sind noch nicht am Ziel, aber die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung", schloss von der Leyen ihr Statement.
Die Staats- und Regierungschefs hatten sich nach tagelangem Ringen dem Vernehmen nach auf die genaue Dotierung des EU-Wiederaufbaufonds verständigt. Dieser soll nun zu 390 Milliarden Euro aus Zuschüssen bestehen und zu 360 Milliarden Euro aus Krediten. Damit wurde die zunächst von Deutschland und Frankreich definierte rote Linie von 400 Milliarden Euro, die auch von allen anderen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von fünf Nettozahlern rund um Österreich mitgetragen wurde, knapp unterschritten.
Die fünf "sparsamen" Staaten hatten den Gipfel am Samstagabend an den Rand des Scheiterns gebracht, als sie ein Volumen von 350 Milliarden Euro als Zuschüsse als letztes Angebot formulierten und damit vor allem Macron zur Weißglut brachten. Dieser griff Berichten zufolge im Plenum auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) frontal an und nahm eine seiner Telefonpausen als Beleg dafür, dass er sich mehr für Pressearbeit interessiere als für die Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen.