Präventivschlag

US-Angriff gegen Nordkorea "realistisch"

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Analyst Cho erwartet kritische Phase im Frühjahr dieses Jahres.

Trotz des Tauwetters im Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea rund um die Olympischen Spiele in Pyeongchang zweifelt der politische Analyst Cho Han-bum an einer Phase der Entspannung im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm. Im Gegenteil: Für die südkoreanische Regierung seien die Entwicklungen "alarmierend".

Die Einigung über die Olympia-Teilnahme Nordkoreas sei "nebensächlich", der kritische Punkt werde erst nach den Olympischen und den darauffolgenden Paralympischen Spielen Mitte März erreicht. "In Wahrheit sind wir in einer verzweifelten Lage, weil Nordkorea sein Atomprogramm nicht aufgeben will und zugleich (US-Präsident Donald) Trump mit allen Mitteln - einschließlich militärischer - das nordkoreanische Atomproblem lösen will", sagte der Experte des Korea Instituts für die nationale Wiedervereinigung (KINU) am Dienstag im Gespräch mit der APA in Seoul. Selbst direkte Gespräche zwischen Pjöngjang und Washington, wie sie Südkorea offenbar im Sinne von Frieden und Stabilität herbeiführen möchte, brächten Cho zufolge keine Lösung, denn das Beharren Nordkoreas auf seinen Atomwaffen sei mit der Position der USA, dass die Koreanische Halbinsel atomwaffenfrei sein müsse, "schlicht unvereinbar".

Vorbereitungen getroffen

Cho hält einen Präventivangriff der USA auf die nordkoreanischen Atom- und Raketenanlagen oder den nordkoreanischen Führungszirkel in dieser Situation für "durchaus realistisch". Alle Vorbereitungen für diesen Fall seien bereits getroffen; die USA würden sich in so einem Fall mit China absprechen und Peking versichern, gewisse "rote Linien" nicht zu überschreiten. Dazu gehöre, dass die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea am 38. Breitengrad unangetastet bleibe. Aber Bodentruppen sähen die Pläne aus den US-Schubladen für einen Präventivschlag ohnehin nicht vor, so der Analyst, der, eingefädelt von der Vereinigungskirche (Moon-Bewegung), der Cho an sich nicht nahesteht, seinerzeit im damaligen Leningrad in der Sowjetunion studierte, was für einen Südkoreaner ungewöhnlich ist.

Dennoch würde ein Präventivschlag "aber den zweiten Krieg auf der Koreanischen Halbinsel bedeuten", nach dem Korea-Krieg 1950-53. "Das wissen wir sehr gut. (...) Daher hat (der südkoreanische Präsident) Moon Jae-in in dieser komplizierten Lage Nordkorea nach Pyeongchang eingeladen, um für zwei Monate friedliche Verhältnisse zu haben. Nach Olympia wird es verglichen mit den vergangenen Jahren gefährlicher werden, wenn es uns nicht gelingt, die Voraussetzungen für Friedensgespräche schaffen", so der langjährige Professor am KINU, das von der südkoreanischen Regierung finanziert wird und hauptsächlich für das Ministerium für Wiedervereinigung tätig ist.

Kein Friedensvertrag

Cho erinnerte daran, dass nach dem Korea-Krieg nur ein Waffenstillstand, aber kein Friedensvertrag zwischen Nordkorea, dem Verbündeten China und den USA als Hauptstreitmacht einer UNO-Truppe geschlossen wurde. Ein solcher Friedensvertrag sei aber "dringend erforderlich", hieße dies doch, dass "jede militärische Provokation Krieg bedeutet. Das macht die Lage so gefährlich." Dazu kommt es aus Sicht der USA und Südkoreas immer wieder durch Beschuss aus Nordkorea und die nordkoreanischen Atom- und Raketentests; aus der Sicht Nordkoreas sind dies die jährlichen gemeinsamen Militärmanöver der USA mit Südkorea, die heuer auf die Zeit kurz nach den Spielen von Pyeongchang verschoben wurden.

Das Zeitfenster für direkte Gespräche zwischen Pjöngjang und Washington, wie sie der südkoreanische Präsident Moon offenbar herbeiführen will, ist aus der Sicht Chos daher angesichts neuer heraufdämmernder Irritationen denkbar knapp. Und wiederum würde gelten: Egal ob Verhandlungen über einen Atom-Deal wie mit dem Iran oder einen Friedensvertrag, "China und die USA werden nur unterschreiben, wenn Kim (Jong-un) auf Atomwaffen verzichtet, das wird er aber nicht unterschreiben". Auch werde Südkorea den Dialogweg mit Nordkorea, den Diktator Kim auch weitergehen wolle, nur bei einem Zustandekommen von Direktgesprächen Nordkorea-USA fortsetzen und ausbauen können, denn ohne Direktgespräche "werden uns das die USA nicht erlauben".

An einer Wiedervereinigung Koreas, an der bisher jede südkoreanische Regierung als Ziel festgehalten hat, haben laut Cho sowohl China als auch die USA ohnedies "überhaupt kein Interesse". China werde Nordkorea niemals aufgeben, weil es das Land als "eine Art Pufferzone" zum US-Verbündeten Südkorea betrachte. Die USA ihrerseits würden Südkorea als Machtbasis in Ostasien an der Haustüre Chinas nicht hergeben.
 

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