Angst vor Stillstand

Frankreichs Reformstreit spitzt sich zu

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 Der Konflikt wirft Schatten auf die Vorbereitungen der Fußball-EM.

Barrikaden vor Treibstoffdepots, Streiks in Raffinerien und Atomkraftwerken - die französische Gewerkschaft CGT schlägt mit der Faust auf den Tisch. Der schnauzbärtige Arbeiterführer Philippe Martinez hat dem Land eine Kraftprobe um die umstrittene Arbeitsmarktreform aufgezwungen und droht mit einer "Generalisierung der Streiks". In einem ohnehin angespannten Klima schürt die Zuspitzung zwei Wochen vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft Sorgen vor einer Lähmung des Landes.

EM-in Gefahr?
So musste Innenminister Bernard Cazeneuve sich bei der Vorstellung seines Sicherheitskonzeptes für die EM schon fragen lassen, ob neben Hooligans und Terrorismus nicht auch die soziale Lage im Land eine Bedrohung für das Sportfest sei. Der Politiker wies das entschieden zurück. In einer Hinsicht hat Martinez jedenfalls bereits Erfolg gehabt: Die zwischenzeitlich etwas verloren wirkenden Proteste gegen die Neufassung des Arbeitsrechts sind wieder in aller Munde.

"Unverantwortliche Methoden"
Seit Tagen bestimmen Warteschlangen vor Zapfsäulen die Fernsehnachrichten, bis zu ein Drittel aller Tankstellen kam zeitweise wegen Versorgungsengpässen in Schwierigkeiten oder saß auf dem Trockenen. Tipps für spritsparendes Fahren und Karten der betroffenen Regionen machen die Runde. Wirtschaftsvertreter fürchten bereits um den fragilen Aufschwung. "Das sind unverantwortliche Methoden, die auf eine Schwächung des Landes und letztlich auf Arbeitslosigkeit hinauslaufen", wettert der Chef des Unternehmerverbands Medef, Pierre Gattaz.

"Wir schädigen die Wirtschaft schwer", sagt die CGT-Verantwortliche für die Energiebranche ganz offen mit Blick auf die durch Streiks gedrosselte Stromproduktion in den Atomkraftwerken, die mehr Importe nötig macht. Das Argument der Gewerkschaften: Nur so könnten sie sich Gehör verschaffen - denn die Regierung habe auf stur geschaltet.

Bessere Regelung
Die Reform der Regierung soll das starre und komplexe Arbeitsrecht aufweichen. Ein zentraler Punkt: Mehr Regelungen, vor allem im Hinblick auf die Ausgestaltung der Arbeitszeit, sollen direkt auf Unternehmensebene ausgehandelt werden können. Die Regierung spricht von einer Stärkung des sozialen Dialogs - der allerdings in Frankreich keine echte Tradition hat, wo zwischen Gewerkschaftern und Managern oft Misstrauen herrscht.

Letztlich stehen sich zwei kaum vereinbare Positionen gegenüber: Die Regierung will die Regeln ein stückweit lockern und Unternehmen mehr Flexibilität geben. Sie hofft, dass diese dann eher bereit sind, neue Mitarbeiter einzustellen und diesen unbefristete Verträge zu geben - vor allem junge Leute müssen sich oft von einer Befristung zur nächsten hangeln. Die stramm linke CGT und ihre Mitstreiter will dagegen bestehende Regeln bewahren und fürchtet, dass weichere Vorschriften genutzt werden, um das Sozialniveau zu drücken.

Weitere Protestaktionen unklar
Ob die Protestaktionen an den Raffinerien und Treibstoffdepots nach dem nationalen Aktionstag am Donnerstag weitergehen sollten, war noch unklar. Für die kommenden Wochen sind aber bereits weitere Streiks bei Bahn und Fluglotsen angekündigt. Eine Gewerkschaft hat für den 10. Juni zum Streik bei der Pariser Metro aufgerufen - just an diesem Tag will Gastgeber Frankreich die Europameisterschaft im Stade de France eröffnen. Und vier Tage später ist eine Großkundgebung in Paris geplant. Es könnte ein heißer Sommer werden.

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