Von WHO & Thunberg bis Nawalny

Friedensnobelpreis: das sind die Favoriten

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Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreises am 9. Oktober.

Oslo. Thunberg oder Trump, WHO oder Black Lives Matter, ein Preis für Journalisten oder wieder einer für Friedensstifter in Afrika: Einmal mehr kochen die Spekulationen hoch, wer in diesem Jahr den begehrten Friedensnobelpreis erhält. Die Welt blickt deshalb an diesem Freitag gespannt nach Oslo, wo das norwegische Nobelkomitee das Geheimnis um den Namen des diesjährigen Preisträgers lüften wird.
 
Geht es nach Friedensforschern, dann könnte der Preis diesmal an eine Journalistenorganisation, Menschenrechtler oder prodemokratische Aktivisten gehen. Die Buchmacher glauben dagegen an die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Klimaaktivistin Greta Thunberg - und einer in den USA ganz besonders an sich selbst.
 

318 Kandidaten

Insgesamt wurden nach Angaben des Nobelkomitees diesmal 318 Kandidaten für die renommierte Auszeichnung nominiert, darunter 211 Persönlichkeiten und 107 Organisationen. Das ist die vierthöchste Nominiertenzahl seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901.
 
Julian Assange
© Getty Images
 
Die Namen der Nominierten hält das Komitee traditionell für 50 Jahre geheim. Dafür hat aber eine Reihe von Nominierungsberechtigten - dazu gehören Politiker, Akademiker und frühere Friedensnobelpreisträger - enthüllt, wen sie der Jury in Oslo vorgeschlagen haben. Demnach ist definitiv Thunberg im Rennen, aber auch die nach Demokratie strebende Bevölkerung Hongkongs, der Whistleblower Edward Snowden und Wikileaks-Gründer Julian Assange.
 
 
Eine Nominierung muss jedoch nichts heißen. "Für den Friedenspreis nominiert zu sein, sagt überhaupt nichts über die Sicht des norwegischen Nobelkomitees aus", sagte der Exekutivdirektor der Nobelstiftung, Lars Heikensten, der Deutschen Presse-Agentur in Skandinavien. "Eine Nominierung an sich bedeutet nicht, dass man dicht davor steht, den Friedensnobelpreis zu bekommen."
 
Klimaaktivistin Greta Thunberg
© Twitter
× Klimaaktivistin Greta Thunberg
 
Dasselbe gilt für den Fall, dass einen Fachleute und Buchmacher zu ihren Favoriten zählen. Das erlebte etwa Greta Thunberg im Vorjahr. Obwohl die junge Schwedin als eine Topfavoritin gehandelt wurde, ging der Preis 2019 an Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed. Allerdings hatten auch ihn viele Experten weit oben auf dem Zettel gehabt.
 

Wer könnte es diesmal werden?

Einen ersten Hinweis dazu gibt bereits die Nominierungsfrist: Kandidaten für dieses Jahr mussten bis zum 31. Jänner eingereicht werden. Das bedeutet, dass ein Preis für die in der Pandemie omnipräsente WHO eher als unwahrscheinlich betrachtet wird. Schließlich nahm die Coronakrise erst im Frühjahr weltweit ihren verheerenden Lauf. Ähnlich dürfte es für die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja aussehen, da sich die Lage in ihrem Land erst nach der Präsidentenwahl im August zugespitzt hat.
 
Beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hält man es für möglich, dass das Nobelkomitee diesmal einen Preis für den Kampf für Menschenrechte oder die Umwelt ins Auge fassen könnte. In der Welt von Konflikten, Frieden und Sicherheit ließen sich derzeit nur wenige Zeichen des Fortschritts erkennen, sagte SIPRI-Direktor Dan Smith der dpa. Derweil gebe es eine klare Verbindung zwischen Frieden und dem Klimawandel, da dieser Auswirkungen auf die politische Stabilität und das Wohlbefinden der Menschen habe. Dies könnte laut Smith möglicherweise zu einem Preis für Thunberg gemeinsam mit anderen jungen Aktivisten aus aller Welt führen.
 

Unabhängige Berichterstatter für Demokratien essenziell

In Zeiten von Fake-News-Debatten und Angriffen auf Reporter weisen andere Nobelexperten darauf hin, dass es an der Zeit für einen Preis sein könnte, der in den unabhängigen Journalismus geht - so etwas gab es bisher noch nie in der Nobelgeschichte. "Journalisten sind oft an vorderster Front und berichten über Krieg und Frieden", sagte der Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, der dpa. Die internationale Gemeinschaft benötige akkurate Informationen, um Konflikte bewerten und darauf reagieren zu können.
 
Auf Urdals Favoritenliste steht deshalb eine Journalistenorganisation ganz oben: das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ). Auch die Reporter ohne Grenzen (RSF) wären laut Urdal würdige Kandidaten in dieser Kategorie. "Wir leben in einer Welt, in der Fake News eine große Herausforderung für demokratische Gesellschaften darstellen", sagte er jüngst in einem Podcast. Unabhängige Berichterstatter seien für Demokratien deshalb absolut essenziell.
 
Junge Aktivistinnen wie Alaa Salah aus dem Sudan, Hajar Sharif aus Libyen und Ilwad Elman aus Somalia zählen ebenfalls zu Urdals Favoritenkreis. Auch der Name Alexej Nawalny steht auf seiner Liste. Die Vergiftung des Kreml-Kritikers spiegle eines deutlich wider, sagte Urdal: "Das demonstriert nur, dass es antidemokratische Kräfte in Russland gibt, die sich den politischen Veränderungen sehr entgegensetzen, für die Alexej Nawalny und andere stehen."
 

"eine Menge Gutes und weniger Schlechtes"

Die Friedensforscher sind sich unterdessen einig, dass es einer nicht werden wird: US-Präsident Donald Trump. Der wurde von skandinavischen Abgeordneten für den Preis 2021 vorgeschlagen. Es wird aber auch davon ausgegangen, dass ihn jemand für dieses Jahr nominiert hat. "Dieser Präsident hat Frieden rund um die Welt geschaffen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, dazu jüngst im Sender Fox News. Trump selbst hatte bereits im Vorjahr gesagt, er würde den Nobelpreis "für viele Sachen" bekommen - "wenn man sie fair vergeben würde, was nicht der Fall ist". Allerdings hat er wegen seiner Corona-Infektion derzeit wohl ganz andere Sorgen.
 
"Ich sehe das einfach nicht", sagt Smith zu einem Preis für Trump und mit Blick auf dessen Rückzüge etwa aus dem Pariser Weltklimaabkommen und dem Atomabkommen mit dem Iran. Urdal wurde in seinem Podcast noch etwas deutlicher: "Die Chancen, dass Donald Trump gewinnen wird, sind absolut null. Nicht, weil er Donald Trump ist, sondern weil er es nicht verdient hat." Dies bedeute nicht, dass er sich den Preis nicht zu einem späteren Zeitpunkt erarbeiten könne - dazu müsse er aber zunächst "eine Menge Gutes und weniger Schlechtes" tun. Weiter sagte Urdal: "Ich denke, er wird eher den Literaturnobelpreis für seine Tweets als den Friedensnobelpreis bekommen."
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