Die Umwidmung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee stößt außerhalb der Türkei auf deutliche Kritik - Die russisch-orthodoxe Kirche findet klare Worte, Griechenland ebenfalls.
Ankara/Moskau/Athen (APA/dpa) - Nach der Umwandlung des Museums der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee droht Griechenland der Türkei mit Konsequenzen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe einen "historischen Fehler begangen", erklärte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Samstag. Auf diese Beleidigung der christlichen Welt müsse es eine entsprechende Antwort geben.
Die EU, Russland und die USA nannten die Entscheidung bedauerlich. Die russisch-orthodoxe Kirche zeigte sich entsetzt.
Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hatte am Freitag den Status der einstigen Kirche als Museum aberkannt. Kurz danach ordnete Erdogan an, das Gebäude für das islamische Gebet zu öffnen. Damit war gerechnet worden.
In dem am Samstag für Besucher geschlossenen Wahrzeichen begannen bereits die Vorbereitungen für die Umwidmung. Mitarbeiter des Tourismusministeriums inspizierten die Kuppel und die Minarette, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Der Vorsitzende der Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, sagte: "Wir haben mit der erforderlichen Arbeit begonnen." Er hoffe, bis zum 24. Juli fertig zu sein. Nach Erdogans Willen soll die einstige Kirche dann als Moschee genutzt werden können.
Die Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) wurde im 6. Jahrhundert nach Christus erbaut und war Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wandelte Sultan Mehmet II. die Hagia Sophia in eine Moschee um und ließ als äußeres Kennzeichen vier Minarette anfügen. Auf Betreiben des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk ordnete der Ministerrat im Jahr 1934 die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum an.
Die "Bestürzung und Trauer" des Weltkirchenrats "und der 350 Mitgliedskirchen" über die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee brachte der Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK/Weltkirchenrat), Ioan Sauca, am Samstag in einem Brief an den türkischen Präsidenten zum Ausdruck. Wörtlich stellte der rumänisch-orthodoxe Theologe laut der Stiftung "Pro Oriente" in dem Brief fest, wie Kathpress berichtete: "Sie haben durch die Entscheidung, die Hagia Sophia wieder zur Moschee zu machen, das positive Signal der Offenheit der Türkei zu einem Zeichen von Ausschließung und Spaltung umgewandelt."
Diese Entscheidung sei leider auch ohne vorherige Benachrichtigung oder Diskussion mit der UNESCO im Hinblick auf die Auswirkungen auf den "universalen Wert" der Hagia Sophia erfolgt, wie er durch die Welterbe-Konvention besiegelt sei. Der ÖRK-Generalsekretär forderte den türkischen Präsidenten ausdrücklich zur Revision seiner Entscheidung auf. Eine so bedeutsame Stätte wie die Hagia Sophia von einem Museum wieder in eine Moschee zu verwandeln, werde unvermeidlicherweise "Unsicherheit, Verdacht und Misstrauen" mit sich bringen. Damit werde sie auch die Anstrengungen des Weltkirchenrats unterminieren, Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit an den Tisch von Dialog und Zusammenarbeit zu bringen, meldete Kathpress weiter.
Heftige Kritik auch aus Russland
Weil die Hagia Sophia eine so große Bedeutung für die Orthodoxie hat, kamen die deutlichsten Reaktionen aus Griechenland und Russland. Metropolit Ilarion (Hilarion) vom Moskauer Patriarchat sprach im russischen Staatsfernsehen von einem Schlag gegen die Orthodoxie. "Für alle orthodoxen Christen auf der Welt ist die Hagia Sophia ein wichtiges Symbol, wie der Petersdom in Rom für die Katholiken." Die Umwidmung werde die Beziehung der Türkei zur christlichen Welt beeinflussen.
Die innenpolitische Lage in der Türkei und die Faktoren, die zur Umwidmung geführt hätten, könnten unterschiedlich eingeschätzt werden, sagte der Metropolit weiter. "Aber das geistige und kulturelle Erbe einer ganzen Welt sollte nicht als Geisel einer politischen Situation genommen werden."
Russlands Vize-Außenminister Alexander Gruschko erinnerte an die Bedeutung der Hagia (Aussprache: Aja) Sophia. Es gebe heute nicht mehr viele Symbole mit solch einer jahrhundertealten Geschichte, die auch Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit gehabt hätten, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax am Samstag. Gruschko erwartet nun von der Türkei, das Gebäude zu schützen, zu erhalten und weiter öffentlich zugänglich zu lassen: "Ich hoffe sehr, dass alle Verpflichtungen (...) vollständig umgesetzt werden."
Ähnlich äußerte sich zuvor die USA. Die Weltkulturerbestätte müsse weiterhin für alle Besucher offen bleiben, hieß es. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die türkische Entscheidung "bedauerlich", denn die Türkei habe sich als Gründungsmitglied des Bündnisses der Zivilisationen zur Förderung des interreligiösen Dialogs und der Toleranz verpflichtet.
"Griechenland verurteilt dieses Verhalten Erdogans und wird alles tun, was es kann, damit es Konsequenzen für die Türkei gibt", sagte Regierungssprecher Petsas am Samstag. Details nannte er nicht. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hatte zuvor schon erklärt, dass der Beschluss Erdogans Folgen für die Beziehungen der Türkei zur EU haben werde. Griechenland und der Nachbar Türkei streiten sich ohnehin schon um Erdgasvorkommen im Mittelmeer und über verschiedene Migrationsthemen.
Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou sprach laut Kathpress von einem "zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft". Die Entscheidung beleidige auf "brutale Weise das historische Gedächtnis, untergräbt den Wert der Toleranz und vergiftet die Beziehungen der Türkei zur gesamten zivilisierten Welt", schrieb sie auf Twitter.
Die griechische Presse reagierte am Samstag mit Schlagzeilen wie "Die Hagia Sophia ist Opfer des Größenwahns Erdogans geworden" (konservative Zeitung "Kathimerini"). "Unsinn ohne Ende", hieß es in der konservativen Zeitung "Eleftheros Typos". Griechische Kommentatoren meinten, Erdogans Türkei entferne sich mit großer Geschwindigkeit vom Laizismus, der Trennung von Staat und Religion, und sei auf dem Weg der vollen Islamisierung.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, schrieb am Samstag auf Twitter laut Kathpress: "Dass man in der Hagia Sophia beten darf, ist richtig, sie ist kein Museum, der Säkularismus Atatürks war gegen jede Religion. Könnte diese großartige Kirche nicht ihre 900 christliche und 500 Jahre islamische Geschichte dadurch spiegeln, dass Muslime und Christen darin beten?", regte er eine gemeinsame Nutzung an.
Die Deutsche Bischofskonferenz äußerte sich Kathpress zufolge besorgt und warb "für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt, statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen", sagte Sprecher Matthias Kopp bereits am Freitag.