Der japanische Kaiser Naruhito läutete eine Ära ein: Sie heißt "Reiwa" und bedeutet "Harmonie".
Japans neuer Kaiser Naruhito hat den Chrysanthemen- Thron bestiegen und damit eine neue Ära für sein Land eingeläutet. Der 59-Jährige trat am Mittwoch die Nachfolge seines Vaters Akihito an, der nach 30-jähriger Regentschaft um Mitternacht (Ortszeit) formal abdankte.
Bei einer feierlichen Einführungszeremonie erhielt Naruhito die kaiserlichen Insignien. Beamte des Haushofamtes überreichten dem Monarchen zwei der Throninsignien: ein Schwert sowie Juwel, das das Kaiserhaus der Legende nach von der Sonnengöttin Amaterasu Omikami erhalten hat. Den Mythen nach sind die japanischen Kaiser unmittelbare Nachfahren von Amaterasu.
Die Beamten legten die Gegenstände auf zwei niedrige Holztische vor dem Kaiser. Auch das Amtssiegel und das persönliche Siegel wurden vor ihm niedergelegt. Parallel dazu teilte ein Hauptritualist im Namen des Kaisers dem Spiegel - der dritten Insignie als Vertretung der Gottheit - mit, dass der Kaiser die Insignien entgegennimmt.
Niemand, selbst der Kaiser nicht, darf dabei einen Blick auf die Kleinodien werfen, die sich in Schutzhüllen befinden. Ihr Inhalt gilt dazu als zu heilig. Die schlichte Zeremonie dauerte lediglich zehn Minuten. Anschließend wird Naruhito bei einer weiteren Zeremonie seine erste Ansprache vor Vertretern des Staates und Mitgliedern der Kaiserfamilie halten. Auch dies wird nur etwa zehn Minuten dauern.
Der emeritierte Kaiser Akihito - so die nunmehrige Bezeichnung für den Ex-Tenno - war der erste Kaiser der ältesten Erbmonarchie der Welt seit rund 200 Jahren, der zu Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger freimachte. Nun ist sein ältester Sohn das neue "Symbol des Staates und der Einheit der Nation". Auf diese Rolle ist ein japanischer Monarch laut der pazifistischen Nachkriegsverfassung beschränkt. Zu politischen Fragen darf sich der Kaiser nicht äußern.
Neuer Kaiser läutete "Reiwa"-Ära ein
Mit seinem Amtsantritt hat der japanische Kaiser Naruhito am Mittwoch auch den Beginn einer neuen Ära eingeläutet: Sie heißt "Reiwa", was so viel wie "Ordnung" und "Harmonie" bedeutet. Für eine neue Ära einen Namen auszuwählen, ist in Japan eine jahrhundertealte Tradition. Sie hat aber auch in der Gegenwart weitreichende Folgen für den Alltag der Japaner.
Kaiser Akihito dankte am Dienstag nach drei Jahrzehnten ab - als erster Tenno seit mehr als zwei Jahrhunderten. Am 1. Mai bestieg dann sein Sohn Naruhito den Chrysanthementhron, womit die neue Zeitrechnung in Japan begann.
Japan ist das einzige Land der Welt, in dem noch ein kaiserlicher Kalender verwendet wird. Während anderswo das Jahr 2019 geschrieben wird, galt in Japan bis Dienstag noch Heisei 30 - das 30. Jahr der Ära von Kaiser Akihito.
Für Ära-Namen gibt es in Japan strenge Vorschriften. Sie müssen einfach zu lesen und zu schreiben sein, dürfen keine Markennamen oder beliebten Eigennamen enthalten und auch nicht das Anfangszeichen der vier vorangegangenen Epochen.
Außerdem setzt sich der Name einer Ära traditionell aus nur zwei Schriftzeichen zusammen. Der Begriff "Heisei" lässt sich mit "Frieden schaffen" übersetzen. Im Begriff "Reiwa" schwingen Bedeutungen wie "Ordnung" und "glückbringend" sowie "Harmonie" mit.
Regierungschef Shinzo Abe sagte bei der Vorstellung des neuen Namens Anfang April, "Reiwa" gehe auf das "Manyoshu" zurück, eine rund 1.200 Jahre alte Sammlung japanischer Gedichte.
Ausgewählt wurde der Name unter strenger Geheimhaltung. Ein Gremium aus neun Mitgliedern, darunter ein Nobelpreisträger, wurde für seine Beratungen in einem der Amtszimmer des Premierministers eingeschlossen. Keiner von ihnen durfte ein Telefon mit hinein nehmen, außerdem wurde sichergestellt, dass der Raum nicht verwanzt ist.
Der Beginn einer neuen Ära ist in Japan stets ein wichtiger Tag. Es gibt Feiern an öffentlichen Orten, Kalligraphie-Vorführungen und Sonderausgaben von Tageszeitungen.
Zur Feier der Bekanntgabe des neuen Namens hatte ein Hotel einen Riesen-Burger aus dem besonders edlen Wagyu-Rindfleisch auf die Speisekarte gesetzt: drei Kilogramm schwer, mit Gold bestäubte Brothälften - für rund 800 Euro.
Auch wenn die Tradition der Ära-Namenswahl schon lange besteht - ihre Auswirkungen auf den Alltag in Japan sind auch heute nicht zu unterschätzen. Im Technologiesektor gab es im Vorfeld ähnliche Sorgen wie vor der Jahrtausendwende im Jahr 2000, ob die Umstellung von einer Ära auf die nächste ohne technische Probleme funktioniert.
Die Finanzmärkte erhoffen sich einen Aufschwung dank der Nachfrage, die durch die neue Ära entstand: So berichteten etwa Unternehmen, die Siegel für offizielle Dokumente herstellen, von umfangreichen Vorbestellungen. Auch Aktien, die mit der neuen Ära zu tun haben, erfuhren bereits eine große Nachfrage.
Seit Einführung der kaiserlichen Zeitrechnung im 7. Jahrhundert gab es fast 250 "gengo", wie Ären auf Japanisch heißen. Früher riefen Kaiser auch mitten in ihrer Regentschaft eine neue Ära aus, zum Beispiel, um nach Naturkatastrophen einen Neustart zu markieren. In jüngerer Zeit umfasste eine Ära jedoch immer die gesamte Herrschaft eines Kaisers.