Armenier-Massaker

Krise nach Genozid-Erklärung Schwedens

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Erdogan sagt Schweden-Bsuch ab und zitiert Botschafter ins Ministerium.

Die Türkei hat am Freitag als Reaktion auf eine Völkermord-Resolution des Reichstags in Stockholm den schwedischen Botschafter Christer Asp ins Außenministerium in Ankara zitiert. Der Diplomat habe danach erklärt, die Parlaments-Entscheidung sei für seine Regierung nicht bindend, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Das schwedische Parlament unterstütze die Untersuchung der an Armeniern begangenen Gräuel durch Historiker.

Eine von der rot-grünen Opposition am Vortag mit einer Stimme Mehrheit erlangte Erklärung im Schwedischen Reichstag über die Einstufung des Massakers an Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 als Völkermord hat zu einer schweren diplomatischen Krise mit der Türkei geführt. Nachdem Ankara bereits am Donnerstagabend seine Botschafterin aus Stockholm einberufen hatte, sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einen für kommende Woche geplanten Besuch in Schweden ab. Der schwedische Botschafter in der Türkei wurde ins Außenministerium in Ankara zitiert.

Erklärung scharf zurückgewiesen
Erdogan wies die schwedische Erklärung seinerseits scharf zurück. Politiker sollten nicht über die Geschichte richten, teilte sein Büro in Ankara mit. Sie sollten Lehren aus der Vergangenheit ziehen und sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Der Schwedische Reichstag habe sich von den Kräften missbrauchen lassen, die die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien verhindern wollten.

Bildt distanziert sich von der mit einer Stimme Mehrheit verabschiedeten Erklärung des eigenen Parlaments. Er schrieb in seinem Blog: "Die Geschichte durch Abstimmungen im Reichstag zu politisieren, ist alles andere als konstruktiv." Es beunruhige ihn vor allem, dass dies von Reformgegnern in der Türkei ausgenutzt und der Versöhnungsprozess zwischen Türken und Armeniern gestoppt werden könne.

Störung der Beziehungen
Schwedens Botschafter in der Türkei, Christer Asp, sagte in einem Interview mit dem Schwedischen Radio am Freitag, er befürchte eine länger dauernde Störung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Er hoffe jedoch, dass die diplomatische Verstimmung nicht auch Auswirkungen auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen Schwedens zur Türkei haben werden. Asp verwies auch darauf, dass Schweden eines jener EU-Mitglieder ist, das einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union am stärksten befürwortet.

Beifall erhielt die Erklärung des Reichstages von den rechtsextremistischen Schwedendemokraten (SD), die bei den Wahlen im kommenden Herbst selbst auf einen Einzug ins Parlament hoffen. Deren Parteichef Jimmy Akesson lobte vor allem das Verhalten jener Regierungsabgeordneter, die am Vortag mit der rot-grünen Opposition gestimmt hatten. Die SD bezeichnen sich als EU-skeptisch und treten gleichzeitig gegen einen Beitritt der Türkei zur EU auf.

Zusammenhang mit Wahlen?
Mit knapper Mehrheit hatte das schwedische Parlament am Donnerstagabend überraschend eine Resolution verabschiedet, die die das Massaker an je nach Geschichtsschreibung zwischen mehreren Hunderttausend und 1,5 Mio. Armeniern während des Ersten Weltkriegs in der Türkei als Völkermord einstuft. Die Resolution wurde am Donnerstag gegen die offizielle Linie der Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt mit 131 zu 130 Stimmen angenommen. 88 Abgeordnete waren während der Abstimmung im 349-köpfigen Parlament in Stockholm nicht anwesend. Beobachter vermuten als Motiv hinter der Initiative der linken Opposition einen Zusammenhang mit den für September geplanten Parlamentswahlen in Schweden.

Die Türkei wehrt sich entschieden gegen diese Einschätzung und hat wiederholt erklärt, die Zahl der Toten sei übertrieben, und die Armenier seien Opfer von Bürgerkrieg und Unruhen geworden. Der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses hatte in der vergangenen Woche einen ähnlichen Entschließungsantrag angenommen. Fraglich ist aber, ob der Resolutionsentwurf auch dem Plenum zugeleitet wird. Trotzdem rief die Türkei aus Protest ihren Botschafter in den USA zurück.

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