Merkel gab bereits an, dass es tiefgreifende Differenzen mit der Türkei gibt.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Gesprächen mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Kritik an der Lage in der Türkei geäußert. Es gebe weiterhin "tiefgreifende Differenzen", sagte die CDU-Politikerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan am Freitag in Berlin. Sie nannte die Lage der Pressefreiheit und der Menschenrechte.
Merkel mahnte zu einer raschen Lösung für die in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger. "Ich habe darauf gedrängt, dass auch diese Fälle möglichst schnell gelöst werden können", sagte sie.
Es gibt auch Vereinendes
Trotz aller Differenzen bemühten sich Merkel und Erdogan auch darum, Einigkeit in manchen Fragen zu zeigen. Die Gespräche seien eine "Chance", um auch über strittige Themen miteinander ins Gespräch zu kommen, sagte Merkel und betonte die gemeinsamen Interessen in der Nato, bei der Terrorismusbekämpfung, der Migration und der Lage in Syrien. Zugleich versprach die Kanzlerin, sich für ein "diskriminierungsfreies Leben" der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland einzusetzen und sagte: "Wir wissen, dass die Wunde des NSU alles andere als geheilt sind."
Erdogan wiederum forderte die Auslieferung von Anhängern des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen von Deutschland. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.
Merkel soll Erdogan auf "Pressefreiheit" drängen
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hatte Merkel und den deutschen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgefordert, bei ihren Gesprächen mit Erdogan auf Pressefreiheit in der Türkei zu dringen. Sie müssten bei dem Staatsbesuch Erdogans "die prekären Arbeitsbedingungen für Medien in der Türkei mit Nachdruck anprangern", sagte ROG-Chef Christian Mihr bei einer Kundgebung für in der Türkei inhaftierte Journalisten am Freitag in Berlin. Er forderte Merkel und Steinmeier zudem dazu auf, sich auch öffentlich und nicht nur hinter den Kulissen für Journalisten im Gefängnis einzusetzen. "Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei darf es nicht geben, solange die beispiellose Unterdrückung der Pressefreiheit in der Türkei anhält", mahnte Mihr bei der Kundgebung am Berliner Hauptbahnhof, an der laut ROG mehr als hundert Menschen teilnahmen.
Bei zahlreichen Veranstaltungen wollen am Freitag tausende Menschen gegen den Erdogan-Besuch demonstrieren. Allein zu einer Großdemonstration "Erdogan not welcome" am Potsdamer Platz in Berlin erwarten die Veranstalter am Nachmittag rund zehntausend Teilnehmer. Am Donnerstag war Erdogan zu dem dreitägigen Besuch eingetroffen. Am Freitagmorgen wurde er von Steinmeier mit militärischen Ehren im Schloss Bellevue empfangen. Später traf er Merkel zum Mittagessen.
Erdogan leugnet Wirtschaftskrise
Die Kanzlerin ging auch auf die wirtschaftliche Lage ein: "Natürlich haben wir Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei."
Erdogan, dessen Land gerade von einer Wirtschaftskrise erschüttert wird, entgegnete hierauf, dass die türkische Wirtschaft eine solide Basis habe. Es sei wichtig, wirtschaftlich zusammenzuarbeiten nach einem "Win-win"-Prinzip.
Während der Pressekonferenz sah man Erdogan sogar immer wieder mal lächeln. Bei der deutschen Kanzlerin bedankte er sich mehrmals für die Einladung. Er sei dankbar, dass Deutschland bei den 3,5 Millionen syrischen Flüchtlingen, die in der Türkei lebten, Verantwortung übernommen habe. "Es wurde Opferbereitschaft gezeigt", so Erdogan.