Eine umfassende Untersuchung hat gezeigt, dass Menschen, die spät ins Bett gehen, bei Intelligenz-, Denk- und Gedächtnistests besser abschneiden als diejenigen, die früh aufstehen.
Dies stellt die gängige Meinung in Frage, dass Frühaufsteher produktiver und geistig leistungsfähiger sind.
Kognitive Fähigkeiten: Nachteulen überlegen gegenüber Frühaufstehern
Eine Studie mit 26.000 Teilnehmern ergab, dass Nachteulen in verschiedenen kognitiven Tests besser abschnitten als Frühaufsteher. Diese Untersuchung, die von Akademikern des Imperial College London geleitet wurde, analysierte Daten aus der UK Biobank-Studie. Die Teilnehmer mussten Intelligenz-, Denk-, Reaktionszeit- und Gedächtnistests absolvieren.
Schlafgewohnheiten und ihre Auswirkungen
Die Forscher untersuchten, wie sich Schlafdauer, -qualität und der Chronotyp – der bestimmt, zu welcher Tageszeit wir uns am wachsten und produktivsten fühlen – auf die Gehirnleistung auswirken. Es stellte sich heraus, dass Nachteulen und auch Personen mit einem intermediären Chronotyp eine überlegene kognitive Funktion aufwiesen, während Frühaufsteher die niedrigsten Werte erzielten.
Kreative Köpfe und Schlafmuster
Spätes Zubettgehen wird oft mit kreativen Persönlichkeiten in Verbindung gebracht. Berühmte Künstler, Autoren und Musiker, die als Nachteulen bekannt sind, sind unter anderem Henri de Toulouse-Lautrec, James Joyce, Kanye West und Lady Gaga. Auf der anderen Seite sind Politiker wie Margaret Thatcher, Winston Churchill und Barack Obama bekannt dafür, mit wenig Schlaf auszukommen.
Bedeutung der Schlafdauer
Trotz der positiven Eigenschaften des späten Zubettgehens betonte die Studie die Wichtigkeit der Schlafdauer für die Gehirnfunktion. Personen, die jede Nacht zwischen sieben und neun Stunden Schlaf bekommen, erzielten die besten Ergebnisse in kognitiven Tests. Dr. Raha West, Hauptautor der Studie und klinischer Forschungsstipendiat an der Abteilung für Chirurgie und Krebs am Imperial College London, betonte: „Es ist entscheidend, genug Schlaf zu bekommen – nicht zu viel und nicht zu wenig – um das Gehirn gesund zu halten und optimal funktionieren zu lassen.“
Expertenmeinungen und zukünftige Forschung
Prof. Daqing Ma, Co-Leiter der Studie, unterstrich die Bedeutung des aktiven Managements der Schlafgewohnheiten zur Förderung und zum Schutz der Gehirnfunktion. Er forderte politische Interventionen, um die Schlafgewohnheiten in der Bevölkerung zu verbessern.
Kritische Stimmen und Einschränkungen
Einige Experten riefen jedoch zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse auf. Jacqui Hanley, Leiterin der Forschungsfinanzierung bei Alzheimer’s Research UK, wies darauf hin, dass ohne ein detailliertes Bild dessen, was im Gehirn vor sich geht, unklar bleibt, ob es Gedächtnis und Denken beeinflusst, ob man eine Morgen- oder Abendperson ist. Jessica Chelekis, Dozentin für nachhaltige globale Wertschöpfungsketten und Schlafexpertin an der Brunel University London, betonte, dass die Studie wichtige Einschränkungen habe. So wurde der Bildungserfolg der Teilnehmer nicht berücksichtigt und die Tageszeit, zu der die kognitiven Tests durchgeführt wurden, floss nicht in die Ergebnisse ein. Ihrer Meinung nach liegt der Hauptwert der Studie darin, gängige Stereotype über Schlafgewohnheiten in Frage zu stellen.