Das Oberste Gericht in Belgien hat diese Woche entschieden, dass die kurdische Arbeiterpartei PKK keine "terroristische Organisation", sondern eine Partei in einem bewaffneten Konflikt ist.
Brüssel/Ankara/EU-weit. "Ich hoffe, dass es in Europa zu einem Umdenken kommt und es dazu beiträgt, die kurdische Frage auf politischem Weg zu lösen", sagte Anwalt Jan Fermon am Donnerstag.
"Ausgewogene Sichtweise"
Mit dem Urteil endet ein zehn Jahre andauernder Prozess wegen Unterstützung der PKK in der Türkei. Nach Ansicht der Verteidiger in den Brüsseler Verfahren ermöglicht die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von Belgien eine ausgewogene Sichtweise auf den Bürgerkrieg in der Türkei, da die Konfliktparteien nicht mehr in eine "gute" und eine "schlechte" Seite aufgeteilt würden. Sie erhoffen sich, dass das Urteil Auswirkungen auf die EU-Terrorliste hat. Die PKK wird auf dieser als terroristische Organisation geführt.
"Großer Fehler"
Für Andreas Schieder, SPÖ-EU-Delegationsleiter und Ko-Vorsitzender der Kurdischen Freundschaftsgruppe im Europaparlament, ist dies ein "großer Fehler", da dadurch der diplomatische Weg zur Lösung des Konflikts versperrt werde. Eine solche wäre wichtig für die gesamte Region. Die Türkei hatte die Bekämpfung der PKK auch als Grund für die Invasion in Nordsyrien genutzt.
EU-Terrorliste von den Ministern der Mitgliedsländer beschlossen
Die EU-Terrorliste wird von den Ministern der Mitgliedsländer beschlossen. Fermon zufolge wird diese somit basierend auf politischen Erwägungen und nicht auf juristischen Überlegungen erstellt. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von November 2018 wurde die kurdische Arbeiterpartei von 2014 bis 2017 zu Unrecht auf der EU-Terrorliste geführt. Konkrete Auswirkungen hatte das Urteil allerdings nicht, da es für 2018 einen neuen Beschluss zur Terrorliste gab, der durch das Urteil nicht infrage gestellt wird. Er beruhe jedoch auf derselben Argumentation wie der vorhergehende Beschluss und könnte somit ebenso entkräftet werden, hieß es am Donnerstag in Brüssel.
Der belgische Außenminister Philippe Goffin teilte am Mittwoch mit, dass er seine Haltung angesichts des Urteils nicht ändern werde. "Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist die Einschätzung der Judikative, die klar von der Exekutive getrennt ist, und muss als solche verstanden werden", erklärte Goffin. Keinesfalls sei davon abzuleiten, dass die belgische Staatsanwaltschaft deshalb keine PKK-Mitglieder mehr verfolgen können. Die Verteidiger sehen darin einen problematischen Zugang zur Gewaltenteilung.
PKK "keine Strukturen" in Belgien
Die PKK verfügt laut der Verteidigung über keine Strukturen in Belgien. Der 2009 begonnene Prozess gegen 41 Individuen und Organisationen wegen Unterstützung der PKK in der Türkei sei aufgrund von Interventionen der türkischen und der US-Botschaft ab 2006 angestrengt worden, so der Anwalt Paul Bekaert. Dies gehe aus Informationen hervor, die die Enthüllungsplattform Wikileaks zugänglich gemacht habe. Ziel sei gewesen, den in Belgien ansässigen kurdischen Sender Roj-TV zu bekämpfen.