Erste Schuldzuweisungen an Trump

Republikaner: ''Trump hat Bürgerkrieg in Partei ausgelöst''

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Selten hat eine Senatswahl so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie jene in Georgia. Doch wie schon bei den Präsidentschaftswahlen, liegen auch jetzt die Demokraten voran. Für einige Republikaner hat dies nur einen Grund: Trump.

Gabriel Sterling hat seine Zurückhaltung längst abgelegt. Er ist einer der Verantwortlichen für die Wahlen im US-Staat Georgia und macht bereits einen Schuldigen für den Fall aus, dass die Republikaner am Ende als Verlierer dastehen: Donald Trump und alles, was er seit der Präsidentenwahl am 3. November getan hat. Sterling sagt am Mittwoch, Trump habe die Menschen mit seinen unablässigen Wahlbetrugsbehauptungen glauben gemacht, dass ihre Stimme nicht zähle.
 

"Trump hat Bürgerkrieg in Partei ausgelöst"

Und er habe einen "Bürgerkrieg" in der Republikanischen Partei ausgelöst in einer Zeit, in der es Einheit gebraucht hätte. "Das ist die Art von Dingen, für die der Präsident allein verantwortlich ist." Es waren nicht irgendwelche Senatswahlen, die am Dienstag in dem südlichen US-Bundesstaat stattgefunden haben. An den Stichwahlen um zwei Sitze in der mächtigen Parlamentskammer hing die Gestaltungsmacht des künftigen US-Präsidenten Joe Biden. Nun ist er einen Schritt davon entfernt, weitgehend freie Hand bei der Verwirklichung seiner Agenda und der Ernennung von Regierungsmitgliedern oder Obersten Richtern zu bekommen. Für beide Parteien stand in Georgia viel auf dem Spiel - Millionen Menschen motivierte das, an der Abstimmung teilzunehmen. Ihr Wille hat Auswirkungen auf das ganze Land.

Kopf-an-Kopf-Rennen bei Stichwahl in Georgia

Nach Schließung der Wahllokale am Dienstagabend kam es über Stunden zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den bisherigen republikanischen Amtsinhabern und ihren demokratischen Herausforderern. Gegen 2.00 Uhr am Mittwochmorgen riefen US-Medien den für die Demokraten angetretenen schwarzen Baptistenpastor Raphael Warnock als Sieger im Rennen gegen die Noch-Senatorin Kelly Loeffler aus.

Noch enger ist es in der zweiten Stichwahl, bei der der Demokrat Jon Ossoff den bisherigen Amtsinhaber David Perdue herausgefordert hat. Sollte Ossoffs Vorsprung knapp bleiben, könnte es zu einer Neuauszählung kommen - und das Ergebnis über Tage verzögert werden. Erst nach diesem Resultat steht fest, ob die Demokraten die Kontrolle über den Senat übernehmen können. Den Republikanern würde ein einziger Sieg reichen, um ihre knappe Mehrheit in der Kammer zu halten.
 

Nur 11.779 Stimmen Unterschied

Auch nach der Präsidentenwahl vom 3. November musste in Georgia neu ausgezählt werden, weil das Ergebnis so knapp war. Damals dauerte es eine Woche, bis klar war, dass Biden gegen Trump gewonnen hat - mit nur 11 779 Stimmen Vorsprung bei einer Wahl, an der sich knapp fünf Millionen Menschen beteiligt hatten. Seit 1992 war es keinem demokratischen Präsidentschaftskandidaten mehr gelungen, sich in Georgia durchzusetzen.

Trump fiel quasi mit der Tür ins Haus, als er am Montagabend im Norden von Georgia vor Tausende Anhänger trat: "Hallo Georgia - übrigens, es ist ausgeschlossen, dass wir Georgia verloren haben, es ist ausgeschlossen, das war eine manipulierte Wahl."
 

Trump hat Niederlage gegen Biden noch nicht anerkannt

Trump hat seine Niederlage gegen Biden immer noch nicht anerkannt und behauptet trotz gescheiterter Klagen und Zurechtweisungen von Beamten wie Gabriel Sterling weiterhin, dass es einen Weg gebe, Biden den Einzug ins Weiße Haus zu verwehren. Und so machte Trump auch ohne Umschweife deutlich, warum er sich den Sieg der Republikaner Loeffler und Perdue bei den Stichwahlen vor allem wünschte: für seinen eigenen Machterhalt. "Kelly kämpft für mich, David kämpft für mich, das kann ich sagen", rief Trump der Menge zu, die gerade "Fight for Trump" ("Kämpfen für Trump") skandiert hatte.

Trump zieht auch dieses Mal die Rechtmäßigkeit der Wahlen in Georgia in Zweifel. In der Wahlnacht teilt er einen Tweet, wonach die Demokraten erneut Stimmen an "mystischen Orten" gefunden hätten. Am Mittwochmorgen schreibt er: "Die USA werden von Dummköpfen blamiert. Unser Wahlprozess ist schlimmer als der von Ländern der Dritten Welt!" Sterling, ebenfalls ein Republikaner, entgegnet: "Die mystischen Orte befinden sich in den Tiefen des Kopfes des Präsidenten."
 

Trump-Anhänger laufen Sturm

Am Mittwoch versammeln sich erneut Anhänger Trumps, die wie er gegen das Wahlergebnis Sturm laufen. Dieses Mal kommen sie nach Washington, ganz in die Nähe des Weißen Hauses, um ihren Präsidenten zu hören. Wieder arbeitet er sich an der Präsidentenwahl ab. "Wir werden niemals aufgeben", ruft Trump seinen Unterstützern entgegen. Niemals werde er eine Niederlage einräumen. "Wir haben diese Wahl gewonnen", er habe einen Erdrutschsieg erzielt. "Man wird unser Land niemals mit Schwäche zurückerobern, man muss Stärke zeigen und man muss stark sein."
 

Erneut schlaflose Nacht in den USA

Trump spricht kurz vor dem Beginn einer Kongresssitzung, bei der Bidens Sieg besiegelt werden soll. Die Zusammenkunft zur Zertifizierung der Ergebnisse aus den Bundesstaaten ist normalerweise eine Formalie. Dieses Mal haben aber mehrere Senatoren und Abgeordnete der Republikaner angekündigt, Einspruch gegen die Ergebnisse aus einigen Bundesstaaten einzulegen, was stundenlange Sitzungen und Abstimmungen nach sich ziehen und den USA erneut eine schlaflose Nacht bescheren könnte. Es gilt gleichwohl als ausgeschlossen, dass Trump Bidens Sieg in letzter Minute noch kippen kann.

Auch unter seinen Republikanern im Kongress ist die Störaktion hoch umstritten. Mehrheiten dafür, tatsächlich einzelne Ergebnisse aus den Bundesstaaten zurückzuweisen, sind nicht absehbar. Ohnehin wäre der Schritt fragwürdig - die Bundesstaaten haben ihre Ergebnisse fristgerecht zertifiziert. Selbst der mächtige Mehrheitsführer im Senat, der eigentlich Trump-treue Republikaner Mitch McConnell, hat Bidens Sieg nach langem Zögern anerkannt - und sich gegen die Störaktion gewandt.
 

Trump spaltete Partei im Alleingang

Trump habe die Republikaner im Alleingang gespalten und sie damit geschwächt, beklagt der Regierungsbeamte Sterling, der zur Wahl von Loeffler und Perdue aufgerufen hatte. Die Demokraten reiben sich trotz des noch nicht gesicherten Ausgangs des Ringens um die Macht im Senat die Hände. Der führende Demokrat im US-Senat, Chuck Schumer, fasst die Emotion in Worte: "Es fühlt sich wie ein komplett neuer Tag an."
 

(APA/dpa)

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