Beschwerden über Verstöße

Russland wählt neues Parlament

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Begleitet von Beschwerden über massenhafte Verstöße ist in Russland am Sonntag der dritte und letzte Tag der Parlamentswahl abgelaufen.  

Insgesamt waren 110 Millionen Menschen aufgerufen, im flächenmäßig größten Land der Erde die 450 Abgeordneten der neuen Staatsduma zu bestimmen. Die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest für Präsident Wladimir Putin - die Kreml-Partei Geeintes Russland ist seine Machtbasis. Sie will ihre absolute Mehrheit verteidigen.

Im äußersten Osten des flächenmäßig größten Landes der Erde schlossen die Wahllokale und es wurde mit der Auszählung der Stimmen begonnen. Unterstützer des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny machten sich mit Blick auf erste ausgezählte Ergebnisse Hoffnungen auf einen Erfolg ihres Aufrufs zur Protestwahl gegen die Kremlpartei Geeintes Russland. Demnach lagen dort nach Auszählung der ersten Stimmen vereinzelt Bewerber der Kommunisten vor der Regierungspartei - wie etwa in Chabarowsk. Belastbar waren diese Ergebnisse aber nicht.

In Chabarowsk wurde nach den Massenprotesten gegen den Kreml im vergangenen Jahr auch ein neuer Gouverneur gewählt. Dort konnte sich Interims-Gouverneur Michail Degtjarjow von der rechtspopulistischen Partei LDPR Hoffnungen auf einen Sieg machen. Er hatte den unter anderem wegen Mordes angeklagten beliebten Gouverneur Sergej Furgal abgelöst, der weiter auf seinen Prozess wartet. Furgal war beim Kreml in Ungnade gefallen - seine Festnahme hatte Massenproteste ausgelöst. Zehntausende Chabarowsker unterstützten ihn im vergangenen Jahr.

Bei den Parlaments- und Regionalwahlen stellen sich 14 Parteien zur Wahl. Neben der Nationalversammlung werden auch zahlreiche Regional- und Stadtparlamente gewählt. Die letzten Wahllokale schließen um 20.00 Uhr MESZ in Kaliningrad. Danach wird mit der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse gerechnet - etwa von der erstmals breit organisierten Online-Abstimmung.

Die Wahl wird seit dem Beginn am Freitag von Manipulationsvorwürfen überschattet. Unabhängige Beobachter der Organisation Golos haben Tausende Verstöße landesweit aufgelistet - meist mit Foto- und Videoaufnahmen. Vielfach wurden Wahlurnen vollgestopft mit packenweise vorausgefüllten Stimmzetteln. Es gab zudem Berichte über Wählerzwang etwa unter Staatsbediensteten sowie über Mehrfachstimmabgaben.

Bis Sonntagfrüh zeichnete sich eine geringe Beteiligung ab. Bis 09.00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MESZ) hatten nach Angaben der Zentralen Wahlkommission 35,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Am höchsten lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben in der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus und zwar bei 76,15 Prozent. Menschenrechtler sehen besonders dort immer wieder schwere Verstöße auch bei Wahlen. In St. Petersburg hingegen, Putins Heimatstadt, waren es demnach gut 20 Prozent Wahlbeteiligung. In der Hauptstadt Moskau wurde sie mit mehr als 36 Prozent angegeben, etwas mehr als bei der Parlamentswahl 2016.

Die zentrale Wahlkommission kündigte an, die Beschwerden zu prüfen. Bis Sonntagmorgen wurden mehr als 7.000 Stimmzettel annulliert, hieß es. Wahlleiterin Ella Pamfilowa meinte, es seien bisher acht Fälle bestätigt, in denen Stimmzettel packenweise in die Urnen gestopft wurden. Auch die Kommunisten, die angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik des Kremls auf einen Stimmzuwachs hoffen, beklagten vielfach Verstöße. Sie kündigten Proteste an.

Unabhängige Beobachter und Oppositionelle befürchten, dass sich die Kreml-Partei mit massenhaftem Betrug einen neuen Sieg sichert. Die von der Wahl ausgeschlossene Opposition um den inhaftierten Regimegegner Alexej Nawalny forderte zur Protestwahl gegen Geeintes Russland auf. "Heute ist ein wichtiger Tag", sagte Sprecherin Kira Jarmysch. "Geeintes Russland will uns diese Wahlen stehlen und uns danach weiterer fünf Jahre berauben." Deshalb sollten die Russen für Kandidaten anderer Partei stimmen.

Zum Ärger der Regierungsgegner hatten die Internetriesen Google, YouTube, Apple sowie der Nachrichtenkanal Telegram Empfehlungen des Nawalny-Teams für "schlaues Abstimmen" gelöscht. Dabei wurden konkrete Namen genannt, für die Wähler stimmen sollten. Die von den Behörden verbotenen Inhalte waren aber weiter über Twitter abrufbar.

Der in einem Straflager in Russland inhaftierte Nawalny hat nach Angaben der Behörden bei der Parlamentswahl nicht abstimmen dürfen. Laut russischem Recht seien rechtskräftig Verurteilte von Wahlen ausgeschlossen, sagte der Vize-Chef des Strafvollzugs, Waleri Bojarinew, am Sonntag der Agentur Interfax zufolge. Nur Menschen in Untersuchungshaft, gegen die noch kein rechtsgültiges Urteil vorliege, dürften wählen. "Soweit ich weiß, ist das Urteil gegen Nawalny rechtskräftig", sagte Bojarinew.

Gewählt werden auch neue Regional- und Stadtparlamente. Bei den insgesamt mehr als 4.400 Wahlen sind mehr als 31.000 Mandate neu vergeben. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind diesmal nicht vertreten, weil sie mit den Bedingungen und der geringen Zahl zugelassener Experten nicht einverstanden waren. In dem Riesenreich gilt eine Wahlbeobachtung als besonders personalaufwendig.

Russland hatte die Einschränkungen für die westlichen Beobachter mit der Corona-Pandemie begründet. Wegen der Gefahr durch das Virus wurde die Abstimmung auf drei Tage angesetzt, damit Wähler die soziale Distanz und die Hygieneregeln einhalten können. Kritiker werfen den Behörden vor, Manipulationen zu erleichtern, weil Wahlurnen etwa nachts kaum zu kontrollieren seien.

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