"Fall Barcenas"

Schmiergeld: Spanien-Premier unter Druck

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Neue Enthüllungen: Inhaftierter Schatzmeister will Schwarzgeldkontenliste überreichen.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy gerät in der Korruptionsaffäre um den ehemaligen Schatzmeister mit seiner konservativen Volkspartei (PP) immer weiter unter Druck. Der wegen Schmiergeld und Steuerhinterziehung in Höhe von 48 Millionen Euro in Untersuchungshaft sitzenden Schatzmeister Luis Barcenas beschuldigt die Regierungspartei, sich 20 Jahre lang illegal finanziert zu haben und veröffentlichte Dokumente, nach denen hohe Parteimitglieder, darunter auch ehemalige Minister und der aktuelle Ministerpräsident Rajoy, jahrelang Schmiergelder von Unternehmen annahmen.

Neue Enthüllungen
Am Montag veröffentlichte die Tageszeitung „El Mundo“ neue Enthüllungen, nach denen der Volkspartei nahestehende Anwälte Barcenas unter Druck setzen, seine Anschuldigungen gegen die Regierung fortzuführen. „Wenn Du auspackst, geht Deine Frau auch ins Gefängnis. Wenn Du schweigst, fällt (Justizminister) Alberto Ruiz-Gallardon und Dein Fall wird im September archiviert“, sollt der Anwalt Javier Iglesias Redondo dem ehemaligen Schatzmeister im Gefängnis nach Berichten von „El Mundo“ gesagt haben.

Bereits am Sonntag veröffentlichte die Tageszeitung, dass Barcenas dem Direktor von „El Mundo“ SMS-Kurznachrichten von Rajoy zugespielt habe, die beweisen, dass der spanischen Premier ihn noch immer unterstütze, obwohl die Justiz bereits gegen ihn ermittelte. Für Spaniens oppositionellen Sozialisten ein Beweis mehr, dass zwischen beiden ein Einverständnis über illegale Praktiken geherrscht habe.

Die Volkspartei zweifelt die Echtheit der SMS an und wirft Barcenas vor, er wolle sich an der Partei und Rajoy rächen, weil sie ihn fallen gelassen haben. Spaniens sozialistischer Oppositionsführer Alfredo Perez Rubalcaba (PSOE) nahm die neuen Enthüllungen sowie die jüngst in „El Mundo“ veröffentlichten Schmiergeldlisten von Barcenas zum Anlass, um den sofortigen Rücktritt Rajoys zu fordern.

"Der Regierungschef ist im Amt nicht eine Minute länger tragbar”, sagte Rubalcaba am Sonntag. Die Vize-Generalsekretärin der POSE, Elena Valenciano, erklärte unterdessen am Montag in einem Interview mit dem Radiosender Cadena Ser, dass eine geeinte Opposition gute Chancen habe, Ministerpräsident Rajoy zum Rücktritt zu zwingen. Francisco Javier Perez Latre, Professor für politische Kommunikation an der Universität von Navarra, ist nicht dieser Meinung. „Die konservative Volkspartei hat die absolute Mehrheit im Parlament. Um die Regierung zu kippen, bräuchten die Oppositionsparteien die Unterstützung eines Dutzend konservativer Parlamentarier und dazu dürfte es nicht kommen“, versichert Perez Latre im Gespräch.

Neuwahlen?
Der durch den Skandal wachsende Druck der Öffentlichkeit könnte Rajoy jedoch zur Ausrufung von Neuwahlen zwingen, meint der Politikexperte. Die Strategie der Regierung, den Skandal aussitzen zu wollen, bezeichnet er als „politisch Unverantwortlichkeit“. „Das Ansehen der regierenden Volkspartei und Rajoys leidet stark unter dem Schmiergeldskandal“, sagt Perez Latre. Dennoch stimmt er mit dem Politologen José Manuel Mata von der Universität Barcelona darüber ein, dass die oppositionellen Sozialisten daraus kaum einen Vorteil ziehen können. „Die Sozialisten stecken selber in einer schweren Partei- und Imagekrise“, erklärt Mata gegenüber der APA.

Mata erwähnte den Korruptionsskandal der in Andalusien regierenden Sozialisten sowie den tiefen Graben, den Kataloniens Sozialisten (PSC) durch ihre Unterstützung eines katalanischen Unabhängigkeitsreferendums durch die Partei ziehen. Zudem sei Parteichef Perez Rubalcaba weder in der Bevölkerung noch innerhalb der eigenen Partei unumstritten. Mata geht deshalb davon aus, dass Rajoys Konservativen trotz des Schmiergeldskandals und der unpopulären Sparpolitik vorgezogene Parlamentswahlen in Spanien gewinnen würden – wenn auch vielleicht nicht mehr mit einer absoluten Mehrheit.

Während Luis Barcenas am Montag dem zuständigen Untersuchungsrichter die Liste der Schwarzgeldkonten überreichen will, erklärte Spaniens stellvertretende Regierungschef Soraya Saenz de Santamaria am Montag in Madrid, die Regierungspartei sei wegen der falschen Anschuldigung und angebliche Beweise durch Barcenas „in geringster Weise beunruhigt“. Barcenas habe zudem niemals den Schutz der Partei und der Regierung genossen, wie seine Inhaftierung beweise, so Saenz de Santamaria. Bereits am Sonntag stellte hingegen der stellvertretende PP-Generalsekretär Carlos Floriano klar, der Regierungschef lasse sich nicht von einem mutmaßlichen Verbrecher einschüchtern, durch Erpressungsversuche – ob privat oder öffentlich – komme weder die Partei, noch der Regierungschef ins Wanken.

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