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Rackete drohen bis zu 10 Jahre Haft

Sea-Watch: Kapitänin zur Vernehmung nach Sizilien gebracht

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Die Sea-Watch-Kapitänin Rackete wurde zur Vernehmung am Nachmittag nach Sizilien gebracht. 

Carola Rackete, Kapitänin des deutschen Rettungsschiffes "Sea-Watch 3", ist am Montag von Lampedusa in die sizilianische Stadt Agrigent gebracht worden. Hier soll die deutsche Kapitänin am Nachmittag (15.30 Uhr) von den ermittelnden Staatsanwälten vernommen werden. Die 31-Jährige sei bereit, alle Fragen zu beantworten, sagten ihre Rechtsanwälte Leonardo Marino und Alessandro Gamberini laut Medien.
 
Rackete hatte sich in der Nacht auf Samstag über ein Verbot der italienischen Behörden hinweggesetzt und war mit dem Rettungsschiff "Sea-Watch 3" nach tagelanger Irrfahrt durchs Mittelmeer im Hafen von Lampedusa eingelaufen. Sie habe den Hafen angesteuert, weil sie befürchtete, Migranten an Bord könnten ins Meer springen, sagte Rackete. Nur knapp wurde ein Zusammenstoß des Rettungsschiffs mit einem Patrouillenboot im Hafen von Lampedusa vermieden. Rackete könnte aufgrund des Vorfalls eine Strafe zwischen drei und zehn Jahren Haft erhalten.
 
Der italienische Innenminister Matteo Salvini äußerte die Hoffnung, dass Untersuchungshaft über die Kapitänin verhängt werde. Rackete habe die italienischen Gesetze verletzt und gehöre hinter Gitter, sagte Salvini nach Medienangaben vom Montag. Der Innenminister drohte den NGOs mit einer hohen Geldstrafe, der Konfiszierung der Schiffe und der Festnahme der Crew, sollten sie unerlaubt italienische Gewässer erreichen.
 
Die Schiffe von zwei NGOs, eine deutsche und eine spanische Hilfsorganisation, sind im Mittelmeer in Richtung Libyen unterwegs. Dabei handelt es sich um die "Open Arms" der spanischen NGO "Proactiva Open Arms" und um die "Alan Kurdi" der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye. Aus Kreisen des italienischen Innenministeriums verlautete, dass Salvini eine Erhöhung der Geldstrafen für NGOs plane, die Migranten nach Italien bringen. Derzeit beträgt die Strafe 50.000 Euro.
 

Deutscher Minister erwartet rasche Reaktion der EU

Nach der Festnahme der deutschen Kapitänin des Flüchtlings-Rettungsschiffes "Sea-Watch 3" in Italien erwartet Entwicklungsminister Gerd Müller eine schnelle Reaktion der EU. "Die "Sea-Watch"-Kapitänin hat in einer absoluten Notlage gehandelt. Deswegen erwarte ich, dass Brüssel hier ein deutliches Signal sendet und die sofortige Freilassung einfordert", sagte Müller der "Passauer Neuen Presse".
 
"Sea-Watch"-Kapitänin Carola Rackete hatte trotz eines Verbots der italienischen Behörden ihr Rettungsschiff mit 40 im Mittelmeer geretteten Migranten in der Nacht auf Samstag in den Hafen der sizilianischen Insel Lampedusa gesteuert. Sie wurde festgenommen. Auf Rackete kommt eine Geldstrafe zu, im schlimmsten Fall Haft. Spätestens Dienstag wird ihre Vernehmung und eine mögliche Bestätigung des Haftbefehls erwartet.
 
Müller vertrat zudem die Ansicht, die EU müsse eine neue europäische Sofortregelung zur Seenotrettung im Mittelmeer beschließen. "Ausgerechnet jetzt überlässt die EU die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ihrem Schicksal und beendet die Mission Sophia", sagte Müller. Dies sei "ein unerträglicher Zustand angesichts von fast 600 Ertrunkenen im Mittelmeer allein dieses Jahr".
 
Die Seenotrettung sorgt seit langem für Streit innerhalb der Europäischen Union. Die EU-Länder können sich nicht auf einen Mechanismus zur Verteilung der Bootsflüchtlinge einigen. Eine Lösung ist trotz des erheblichen Drucks, den die populistische Regierung in Rom seit einem Jahr in der Frage ausübt, nicht zu erkennen.

Rettung auf dem Meer - Rechtslage bei Seenot

Wenn sich Menschen in Seenot befinden, müssen sie gerettet werden. Diese Pflicht gilt für staatliche wie private Schiffe und ergibt sich laut Rechtsexperten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus der Tradition der Seefahrt und dem ungeschriebenen Völkergewohnheitsrecht. Auch internationale Seerechtsübereinkommen und Resolutionen regeln die Seenotrettung.
 
"Seenot" ist nicht genau definiert. Generell muss denen geholfen werden, die von allein "nicht in Sicherheit gelangen können und auf See verloren gehen" - egal ob auf hoher See oder in Küstengewässern. Darunter fällt auch, wenn Boote überbelegt oder manövrierunfähig sind, oder wenn Nahrung und Wasser fehlen. Zur Rettung verpflichtet sind Schiffe, die zufällig Menschen in Seenot entdecken, genauso wie Rettungsschiffe wie die "Sea-Watch 3".
 
Gerettete sollen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) an einen sicheren Ort gebracht werden. Das muss nicht der nächste Hafen, sondern kann auch ein größeres Schiff sein.
 
Laut Deutschem Bundestagsdienst kann ein Staat den Zugang zu einem seiner Häfen verwehren, wenn das Schiff "eine ernsthafte und unannehmbare Bedrohung" für ihn darstellt. Die Menschen an Bord müssen allerdings in Sicherheit sein. Libyen gilt für unter anderem für Österreich und Deutschland nicht als "sicherer Ort".
 
Retter dürfen nicht auf sich aufmerksam machen. Doch gibt es Kritik, ihr Einsatz werde von Schlepperbanden ausgenutzt und setze Fluchtanreize Richtung Europa, weil es das Risiko einer Überfahrt für Flüchtlinge vermindere.
 
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