Ausstand löst Großstau in der Hauptstadtregion aus, Metrobetreiber soll noch bis Montag bestreikt werden - Für Dienstag weiterer Ausstand angekündigt.
Paris. Der zweite Streiktag im öffentlichen Dienst in Frankreich hat erneut zu einem Verkehrschaos und Beeinträchtigungen in Schulen und Krankenhäusern geführt. Insbesondere die Nerven vieler Bewohner der Hauptstadtregion Paris wurden am Freitag auf eine harte Probe gestellt.
Auf den Straßen in und um die Metropole kam es zu den morgendlichen Stoßzeiten zu langen Staus, da viele Pendler wegen des Ausstandes von der Bahn auf das Auto umstiegen. Insgesamt stockte der Verkehr laut der Verkehrs-App Styadin auf mehr als 350 Kilometern. Zehn der 16 Metro-Linien fuhren nicht.
Die Bewohner der Region müssen sich auf weitere Schwierigkeiten einstellen: Die Gewerkschaften bei der Pariser Bus- und Metrogesellschaft RATP kündigten an, den Ausstand vorerst bis Montag fortzusetzen. Andere Gewerkschaften riefen bereits für kommenden Dienstag zu einem weiteren Streiktag auf, wie die Funktionärin Catherine Perret von der linksgerichteten CGT sagte. Die Regierung müsse "flott einige Antworten liefern". Diese habe den sozialen Unmut in der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt.
Der staatliche Bahnbetreiber SNCF musste streikbedingt etwa 90 Prozent seiner Hochgeschwindigkeitszüge TGV ausfallen lassen. Bei Air France wurden 30 Prozent der Inlandsflüge gestrichen. Ein Airbus A380 der Emirates musste auf dem Weg von Paris nach Dubai am Freitag außerplanmäßig in Wien zwischenlanden. Das das Catering wegen des Streiks in Paris nicht durchgeführt werden konnte, sprang der Flughafen Wien ein, wie es gegenüber der APA hieß.
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Allein in Paris blieben 178 Schulen geschlossen, da sich erneut auch Lehrer am Ausstand beteiligten, wenn auch nicht so viele wie am Donnerstag. Auch fünf Ölraffinerien wurden bestreikt. Das Energieministerium betonte aber, die Versorgung des Landes mit Treibstoffen sei dadurch nicht gefährdet.
Der Streik, der bereits am Donnerstag weite Teile des öffentlichen Lebens lahmt gelegt hatte, richtet sich gegen die Pensionsreform-Pläne von Präsident Emmanuel Macron. Zum Auftakt waren Hunderttausende Demonstranten auf die Straße gegangen, wobei es in Paris und weiteren Großstädten mancherorts zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam.
Macron will Frankreichs veraltetes Pensionssystem vereinfachen, das mehr als 40 verschiedene Pensionskassen umfasst. Dabei variieren Renteneintrittsalter und Pensionsleistungen. So können beispielsweise Bahnangestellte wesentlich früher in Rente gehen als andere Beschäftigte. Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt derzeit bei 62 Jahren. Macron hält das System für unfair und zu teuer. Er fordert ein auf Rentenpunkten basierendes System, das für alle Franzosen gleichermaßen gelten soll.
Bildungsminister Jean-Michel Blanquer sagte dem TV-Sender BFM, Frankreich benötige ein nachhaltiges Rentensystem. Macron wolle das heikle Thema nicht wie viele seine Vorgänger umschiffen und Reformen aus Furcht vor öffentlichem Protest unterlassen. "Wenn jede Präsidentschaft so argumentiert, werden unsere Kinder kein akzeptables Pensionssystem mehr vorfinden", sagte Blanquer. Mitte der 1990er-Jahre hatte ein wochenlanger Ausstand die damalige Regierung zum Einknicken bei ihren Rentenreform-Plänen gebracht.
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Auf dem Spiel steht für den Präsidenten auch seine außenpolitische Reputation. "Sollte die Reform umgesetzt werden, würde dies Macrons Glaubwürdigkeit als Reformer und somit seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in der EU stärken", schrieben Claire Demesmay und Julie Hamann von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in einer Analyse. "Ein Scheitern würde umgekehrt seine europapolitische Handlungsfähigkeit beeinträchtigen."
Regierung verteidigt Pensionspläne
Frankreichs Regierung will trotz massiver Proteste an der Pensionsreform festhalten. Die konkreten Pläne sollen am kommenden Mittwoch vorgestellt werden. Das kündigte Premierminister Édouard Philippe am Freitag an. Er verteidigte die Einführung eines einheitlichen Systems, das Privilegien für bestimmte Berufsgruppen auf lange Sicht beenden soll.
Philippe betonte außerdem, dass die Franzosen länger arbeiten müssten. Er forderte eine konstruktive Debatte. "Ich glaube, und das habe ich immer gesagt, an den sozialen Dialog."
Am Donnerstag waren in ganz Frankreich Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Rentenpläne von Präsident Emmanuel Macron und der Regierung zu protestieren. Der öffentliche Verkehr war fast komplett lahmgelegt. Auch am Freitag wurde wieder gestreikt. Mit der Pensionsreform will die Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 Einzelsysteme für bestimmte Berufsgruppen beenden. Sonderregeln gibt es zum Beispiel für Eisenbahner oder Mitarbeiter der Energiewirtschaft. Sie entscheiden oft auch über das Renteneintrittsalter.
"Die sehr große Vielfalt der Systeme, der 42 derzeitigen Systeme, kann nicht fortgesetzt werden", betonte Philippe. Der Premier kündigte eine schrittweise Umsetzung an, die ohne Brutalität erfolgen solle. Er glaube, dass ein universelles System den Franzosen ermöglichen werde, auf gleiche Weise zur Rente beizutragen und von ihr profitieren zu können.