Noch 18 Festnahmen

Türkei geht gegen Militärverschwörung vor

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Erdogan warnt: Niemand steht über dem Gesetz.

Die türkischen Behörden gehen mit noch nie dagewesenen Härte gegen mutmaßliche Verschwörer in den Reihen der Streitkräfte vor. In einer zweiten Verhaftungswelle wurden am Freitag 18 Offiziere festgenommen, berichteten die türkischen Sender Haber-Türk und CNN-Türk.

31 in Untersuchungshaft
Zuvor wurden in dieser Woche 49 Offiziere festgenommen, von denen ein Gericht am Freitag 31 in Untersuchungshaft nahm. Dabei geht es um Pläne aus dem Jahr 2003 zum Sturz der Regierung der islamisch-konservativen AKP (Gerechtigkeits-und Entwicklungspartei) von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Erdogan erklärte vor Parlamentsabgeordneten seiner Partei, niemand stehe über dem Gesetz, seine Regierung werde die Demokratie verteidigen. "Der laufende Prozess ist schmerzhaft, aber zum Wohle des Volkes", sagte der Premier. "Die heutigen Entwicklungen befreien das Bewusstsein der Menschen."

"Kommen nicht straflos davon"
Und noch deutlicher: "Jene, die sich heimlich verschwören, um den Willen des Volkes mit Füßen zu treten, werden der Gerechtigkeit zugeführt. Sie sollten wissen, dass sie nicht straflos davonkommen werden." Die derzeitigen Ermittlungen seien ein Schritt auf dem Weg zur "Normalisierung" und zu einer "fortgeschrittenen Demokratie", unterstrich der Regierungschef.

Erdogan war am Vortag mit Staatspräsident Abdullah Gül und Generalstabschef Ilker Basbug zusammengetroffen. In der danach veröffentlichten Erklärung hieß es: "Die Öffentlichkeit sei versichert, dass alle Angelegenheiten nach dem Gesetz geregelt werden und alle verantwortlich handeln sollten, damit keine Institutionen beschädigt werden."

Codename "Vorschlaghammer"
Am Freitag führten Polizisten weitere Offiziere zur Einvernahme vor Gericht ab, darunter General Cetin Dogan, den früheren Kommandanten der in Istanbul stationierten Ersten Armee, und General Engin Alan, den früheren Chef der Sondereinheiten. Alan gilt in der Türkei bisher als Nationalheld: er überwachte 1999 den Transport des aus Kenia verschleppten Führers der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, in die Türkei. Alan war in den vergangenen Jahren maßgeblich an der Bekämpfung kurdischer Rebellen beteiligt.

Der Plan der Verschwörer unter dem Codenamen "Vorschlaghammer" sah vor, mit Anschlägen und politischen Morden Chaos zu erzeugen, um die Armee zum Eingreifen zu veranlassen. Die Zeitung "Taraf", der gezielt Interna aus dem inneren Zirkel des Militärs zugespielt werden, hatte am 20. Jänner zuerst über "Vorschlaghammer" berichtet. Die türkische Armee, die sich in der Rolle der Hüterin der kemalistisch-säkularen Grundprinzipien der Republik sieht, hatte 1960, 1971, 1980 und 1997 in die Politik eingegriffen. 1960 unter General Cemal Gürsel und 1980 unter General Kenan Evren übernahm die Armee direkt die Macht.

Das Emasya-Protokoll
Die AKP-Regierung hatte zuletzt die Machtbefugnisse des Militärs für Einsätze im Inneren weitgehend eingeschränkt. Innenminister Besir Atalay hob das vor knapp 13 Jahren mit dem Generalstab unterzeichnete sogenannte Emasya-Protokoll auf. Das Protokoll über die Zusammenarbeit für Sicherheit und öffentliche Ordnung hatte es der Armee erlaubt, bei Krisen auch ohne Aufforderung seitens der Regierungsbehörden einzugreifen.

Das Papier war 1997 unterzeichnet worden, nachdem das Militär den ersten islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan mit einem "sanften Putsch" aus dem Amt gedrängt hatte. Nach dem Verbot von Erbakans Wohlfahrtspartei sammelten sich die islamistischen Kräfte in der Tugend-Partei. Aus dieser ging dann die Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei hervor, die Erdogan in eine islamisch-konservative Massenpartei umzuwandeln vermochte.

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