Seenotretterin im Exklusiv-Interview

Wienerin auf 'Alan Kurdi': 'Wir retten Leben'

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Italiens Innenminister Salvini verbietet der „Alan Kurdi“ die Einfahrt nach Lampedusa.

Ihr Schiff liegt 14 Seemeilen vor Lampedusa. An Bord sind 40 Flüchtlinge, die vor der Küste Libyens gerettet wurden. Sophie W. (29) aus Wien ist Helferin an Bord. Im ÖSTERREICH-Interview spricht die angehende Psychotherapeutin über ihren Einsatz.

ÖSTERREICH: Innen­minister Salvini will die Flüchtlinge nicht in Italien an Land gehen lassen. Was würden Sie ihm sagen?

Sophie W.: Dass ich hoffe, dass schnell eine gesamt­europäische Lösung für die Flüchtlinge gefunden wird – Europa ist als Friedens­projekt entstanden. Wir können und müssen jetzt zu­sammenhalten. Ich bin überzeugt davon, dass wir das Richtige tun, hoffe, dass wir die Menschen in Sicherheit bringen können, habe volles Vertrauen in unser Team. Im Moment ist mein einziger Gedanke, Essen zu kochen für 40 Leute, die Hunger haben. Und mit den Kindern an Bord zu spielen.

Sophie W. Seenotretterin Alan Kurdi
© zvg
Sophie W.: "Politiker, die entscheiden, sollten zu uns an Bord kommen."

ÖSTERREICH: Wie kommen Sie auf die „Alan Kurdi“?

W.: Ich bin aus Wien, mache derzeit eine Ausbildung zur Psychotherapeutin. Es ist bereits das zweite Mal, dass ich für die Rettungsorganisation „Sea Eye“ unterwegs bin. Das erste Mal von Dezember 2018 bis Januar 2019.

ÖSTERREICH: Welchen Job machen Sie an Bord?


W.: Meine Position nennt sich „RHIB Leader“. RHIB steht für Rigid-Hulled Inflatable Boat. Mit diesen schnellen Schlauchbooten fahren wir zu den Flüchtlingsbooten und retten die Menschen. Der „RHIB Leader“ steht im engen Funkkontakt mit der Brücke und koordiniert mit dem Team die Rettung.

ÖSTERREICH: Wie bewegend sind die Schicksale, mit denen Sie konfrontiert werden?

W.: Ich habe sehr viele schlimme Geschichten gehört. Am besten kann man sie so zusammenfassen: Libyen ist wie die Hölle auf Erden, bloß schlimmer. Erst gestern musste ich stundenlang einen kleinen Jungen, drei Jahre alt, trösten. Er hat eine fünfzehn Zentimeter lange verheilte Schusswunde an der Schulter.

ÖSTERREICH: Altkanzler Kurz hält Sie und Ihre Mitstreiter auf der „Alan Kurdi“ für Helfershelfer der Schlepper.

W.:
Ich würde mir wünschen, dass Politiker, die Entscheidungen treffen, uns einmal an Bord besuchen und sich selbst mit den Menschen unterhalten und diese unfassbar grausamen Geschichten hören. Damit auch sie verstehen, warum wir tun, was wir tun.

ÖSTERREICH: Was erzählen die Geretteten über ihre Erlebnisse in Libyen?

W.: Die Menschen, die hier an­kommen, sind alle schwerst traumatisiert. Libyen befindet sich derzeit immer noch in einem Bürgerkrieg und ist somit auch kein sicherer Hafen – laut internationalen Gesetze

Sophie W. Seenotretterin Alan Kurdi
© zvg
Hilfe: Sophie W. (29) aus Wien als Seenotretterin 
im Mittelmeer: „Die Schicksale bewegen.“

ÖSTERREICH: Woher kommen die meisten Bootsflüchtlinge?

W.: Das ist ganz unterschiedlich. Viele kommen aus afrikanischen Ländern. Manchmal sind aber auch Syrer oder Libyer dabei.

ÖSTERREICH: Kennen die meisten jungen Flüchtlinge eigentlich die Gefahr, in die sie sich begeben?

W.: Manchen ist es tatsächlich nicht bewusst. Oft aber auch deshalb, weil sie von den Schleppern belogen werden. Vielen sind die ­Risiken bekannt. Doch man hört ­immer wieder: „Lieber sterbe ich im Meer, als zurück nach Libyen zu müssen.“
Karl Wendl

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