Der Wirbel um die Vorwürfe des ehemaligen Bundeskriminalamtschefs Herwig Haidinger hat nun auch den BAWAG-Prozess erfasst.
Zu Beginn des heutigen 68. Verhandlungstags hat der Anwalt des angeklagten
Ex-BAWAG-Chefs Helmut Elsner, Wolfgang Schubert, die Vorlage aller
Unterlagen des Bundeskriminalamts zur Aufklärung "allfälliger
Ungereimtheiten" beantragt.
Ungereimtheiten aufklären
"Hat
Anwalt Schubert ernste Bedenken, dass diese Vorkommnisse der letzten Tage
Einfluss auf dieses Verfahren haben?" fragte Richterin Claudia
Bandion-Ortner nach. "Jeder Klardenkende muss Bedenken bekommen, wenn ich
mir das Protokoll des Innenausschusses auf der Homepage von Pilz ansehe",
sagte der Elsner-Anwalt und forderte, dass "allfällige Ungereimtheiten im
Vorfeld des Verfahrens" aufzuklären seien.
Kabinettsmitglieder als Vorwurfslieferanten
Im Innenausschuss
hatte der frühere Chef des Bundeskriminalamts, Herwig Haidinger, laut einem
Protokoll des Grünen Peter Pilz schwere Vorwürfe gegen das Kabinett des
Innenministeriums erhoben. So hätten ihn Kabinettsmitarbeiter "dazu
gebracht, die BAWAG-Vorwürfe gegen die SPÖ zu liefern" und "die
Beschleunigung der Untersuchungen gegen die SPÖ verlangt", hatte Pilz
Haidinger zitiert.
"Unzensurierte" Unterlagen angefordert
Schubert
verlangte die Vorlage der vollständigen Unterlagen "ohne jede Ausnahme":
Nicht nur die Ermittlungsakten selbst, sondern auch der gesamte
E-Mail-Verkehr "mit wem immer" müsse zugänglich werden. Gemäß der neuen, am
1. Jänner 2008 reformierten Strafprozessordnung (StPO) müssten alle
Unterlagen "unzensuriert" vorgelegt werden, so Schubert. Er habe im Laufe
des Verfahrens bereits Zeitungsartikel vorgelegt, wonach österreichische
Politiker meinten, dass sein Mandant Elsner zu verurteilen sei.
Stimmungsmache
Der Anwalt des mitangeklagten
Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger, Richard Soyer, schloss
sich den Bedenken Schuberts an. Im Raum stehe, dass im Vorverfahren zum
BAWAG-Prozess Akten des Bundeskriminalamts über das Kabinett des
Innenministeriums an die Öffentlichkeit gelangt seien, die eine "gewisse
Stimmungsmache" provoziert hätten. "So kann es nicht sein", empörte sich
Soyer. Auch der Verteidiger des mitangeklagten Ex-BAWAG-Vorstands Peter
Nakowitz, Rudolf Breuer, schloss sich dem Antrag Schuberts auf Vorlage der
vollständigen Ermittlungsakten an.
Letzer Verhandlungstag vor Pause
Das Gericht werde über den
Antrag beraten und entscheiden, beendete die Richterin die Debatte.
Anschließend wurde die Befragung von Gutachter Fritz Kleiner fortgesetzt.
Der Grazer Wirtschaftsprüfer und Sachverständige Kleiner hatte die
verlustreichen Sondergeschäfte Wolfgang Flöttls mit der früheren
Gewerkschaftsbank untersucht, durch die der Bank laut Anklage 1,44 Mrd. Euro
Schaden entstanden waren.
Am Freitag ist der letzte Verhandlungstag vor einer einwöchigen Pause in den Energieferien nächste Woche. Anschließend wird der Prozess wieder fortgesetzt. Bis Ende Mai sind noch Verhandlungstage angesetzt.