Serie Teil 9

3 Frauen richten über Fritzl

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Ab Montag 9.30 Uhr richten sich die Augen der Welt auf Josef Fritzl.

Montag um 9.25 Uhr endet Josef Fritzls Pakt mit dem Teufel. Da holen ihn sechs Justizwachebeamte aus seinem 18,6 Quadratmeter großen Haftraum im Zellentrakt des Landesgerichts von St. Pölten ab und nehmen ihn in ihre Mitte. Der Weg zum Schwurgerichtssaal 119 ist nicht einmal 150 Meter lang. Aber der Mann, der am 9. April 74 Jahre alt wird, wird jeden Meter als Nahtoderlebnis empfinden: Das ganze Leben läuft vor einem geistigen Auge noch einmal im Zeitraffer ab. Denn es sind seine letzten Schritte als Dämon.

8.516 Tage Herrscher
Über Jahrzehnte hinweg zog ganz Amstetten vor Josef Fritzl den Hut. Er war der Mitbürger, der es aus kleinsten Verhältnissen (uneheliches Kind einer Magd) zum angesehenen Kopfarbeiter (Elektrotechniker) und Hausherrn (sieben Immobilien) gebracht hatte. Anerkennung schmeichelt dem Selbstwertgefühl.

Seine Machtgefühle aber schöpfte Fritzl aus einem furchtbaren Geheimnis. In einem zweiten Leben war er Herrscher über Leben und Tod. War er das Schicksal einer Tochter, die er 8.516 Tage in ein Kellerloch sperrte. War er der Horror-Vater von drei Kindern, die er mit ihrer Mutter im Verlies gefangen hielt, bis das Jahrhundertverbrechen am 26. April 2008 aufflog.

"Bestie Mensch"
In den eigenen Augen war Josef Fritzl erst durch sein Doppelleben gottähnlich. Und selbst in U-Haft hielt er noch die Aura des Besonderen aufrecht, indem er elf Monate lang jeden Kontakt mit anderen Häftlingen mied, sich dafür aber zwischendurch öffentlich interessant machte. Etwa durch die jenseitige Honorarforderung von vier Millionen Euro für seine Memoiren mit der Anmerkung, das Geld bekomme die Tochter, an der er sich 3.000 Mal vergangen hat. Oder durch die Einladung, die besten Profiler und Psychiater mögen an ihm die „Bestie Mensch“ studieren.

Um 9.30 Uhr wird der Mann mit den kalten Wolfsaugen in Handschellen in den Gerichtssaal geführt werden und bis zur Eröffnung der Verhandlung auf der Anklagebank Platz nehmen. Es ist der Moment, in dem das Blitzlichtgewitter der Fotografen beginnt und auch das ORF-Kamerateam auf den Auslöser drückt.

Millionen-Publikum
Nur ein halbes Dutzend Bildreporter sind zugelassen, auf ihre Arbeit haben Zeitungen, Magazine und TV-Stationen in der ganzen Welt ­Zugriff. Deshalb werden Millionen Menschen die gleichen Bilder sehen: Einen schmächtigen Greis mit Schnurrbart. Die einst eitel implantierten Kopfhaare sind ihm in U-Haft ausgefallen. Die Schultern hängen, als habe ihm jemand ein Klavier umgeschnallt.

Es wird der Moment sein, an dem Fritzls Nimbus bricht. Zwar bleibt sein Name für alle Zeiten ein Synonym für Grauen. Aber alles Böse scheut nicht zufällig das Licht. Und unter Kamerascheinwerfern bleibt auch von Fritzl nicht mehr, als er ist: Ein erbärmlicher Typ mit krankem Geist.

Monster
Sein Pakt mit dem Teufel aber machte Fritzl zum „Monster“, so der Titel des ersten Buches über den Inzest-Vater. Was er getan hat, stockte den Atem der Welt. Und so will jetzt auch die ganze Welt dabei sein, wenn der Grusel-Greis seine Strafe bekommt. In St. Pölten sind zum Prozess mehr als 200 internationale Berichterstatter und 25 mobile TV-Stationen eingefallen. „So etwas“, stöhnt Bürgermeister-Sprecher Peter Bylica, „hat die Stadt noch nie erlebt“

3 Frauen
Über Fritzl richten drei Fauen: Richterin Andrea Humer, Staatsanwältin Christiane Burkheiser und die Psycho-Gutachterin Heidi Kastner.

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