Völkermord in Kambodscha

Prozess gegen Rote-Khmer-Führer

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Ein Sondergericht mit internationaler Beteiligung wurde installiert.

In Kambodscha hat mehr als drei Jahrzehnte nach der Schreckensherrschaft der maoistischen Roten Khmer der Prozess gegen vier Spitzenvertreter des 1979 durch eine vietnamesische Militärintervention gestürzten Terrorregimes begonnen. Die Angeklagten, heute alt und gebrechlich, zählten zum engsten Führungskreis des 1998 verstorbenen Diktators Pol Pot. Es ist erst der zweite Prozess gegen Rote-Khmer-Funktionäre überhaupt, nachdem vor einem Jahr der Folterchef Kaing Guek Eav, genannt Duch, zu 35 Jahren Haft verurteilt worden war. Später wurde die Strafe auf 19 Jahre reduziert.

Sondergericht mit internationaler Beteiligung
Seit Montag müssen sich vor dem aus 17 kambodschanischen und 13 von den Vereinten Nationen gestellten ausländischen Juristen bestehenden Sondertribunal, das 2006 nach fast zehnjährigen Verhandlungen errichtet worden war, der ehemalige Staatspräsident Khieu Samphan, Ex-Chefideologe Nuon Chea, der frühere Außenminister und Vizepremier Ieng Sary sowie dessen Ehefrau Ex-Sozialministerin Ieng Thirith verantworten. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord zur Last gelegt. Zudem sind sie wegen einer Reihe von Verbrechen angeklagt, darunter Mord, religiöse und politische Verfolgung, menschenunwürdige Behandlung sowie unrechtmäßige Inhaftierung.

Die Angeklagten verfolgten den Prozessauftakt ohne sichtbare Emotionen. Es wurde erwartet, dass alle vier auf nicht schuldig plädieren. Der mittlerweile 84-jährige Nuon Chea verließ den Gerichtssaal nur wenige Minuten nach Beginn mit der Begründung, er befinde sich in einem schlechten Gesundheitszustand und ihm sei kalt. Er trug eine Skimütze, Sweatshirt sowie eine dunkle Sonnenbrille.

Begrenzte Befugnisse für das Tribunal
Dem Tribunal sind enge Grenzen gesteckt, andernfalls wäre seine Einsetzung am Veto Chinas, der einstigen Schutzmacht der Roten Khmer, gescheitert. Die Untersuchungen sollen sich auf die Zeit von 1975 bis 1979 beschränken. Außerdem soll der internationale politische Hintergrund ausgeklammert bleiben. Das Tribunal kann Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslang verhängen. Die Todesstrafe gibt es in Kambodscha nicht. Viele Kambodschaner haben den Verdacht, dass die Regierung von Ministerpräsident Hun Sen die Aufarbeitung der Verbrechen behindert. Hun Sen ist selbst ein zu den Vietnamesen übergelaufener ehemaliger Rote-Khmer-Kader.

Der britische Ankläger Andrew Cayley warf laut Medienberichten dem deutschen Richter Siegfried Blunk und dessen kambodschanischem Kollegen You Bunleng vor, sie hätten Ermittlungen über weitere mutmaßliche Täter nur unzureichend durchgeführt. Nach Dokumenten, die an die Öffentlichkeit durchsickerten, handelt es sich dabei insbesondere um den früheren Marinekommandanten Meas Mut sowie Ex-Luftwaffenchef Sou Met.

Dem von China unterstützten Regime, das mit brutaler Gewalt das südostasiatische Land in eine kollektivistische Agrargesellschaft umgestalten wollte, waren zwischen 1975 und 1979 zwischen eineinhalb und zwei Millionen Menschen zum Opfer gefallen. 1979 hatte eine vietnamesische Militärintervention die Gewaltherrschaft beendet. Nach ihrem Sturz zogen sich die Roten Khmer in den Dschungel zurück und erhielten auch vom Westen Hilfe. Sie behielten den UNO-Sitz des Landes und führten einen verlustreichen Untergrundkrieg gegen die Vietnamesen und das mit deren Hilfe installierte Regime. Erst 1991 kam es zur Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens, das die Voraussetzung für eine große UNO-Friedensoperation und demokratische Wahlen schuf. Ex-Diktator Pol Pot starb 1998 in einem Dschungelversteck an der thailändischen Grenze.

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