Türkischer Wirtschaftsminister:

"EU wird uns um Beitritt anflehen"

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Europäische Union seit 50 Jahren "unaufrichtig und heuchlerisch".

"Die EU ist seit 50 Jahren uns gegenüber unaufrichtig und heuchlerisch", klagte der türkische Wirtschaftsminister Zafer Caglayan am Dienstagabend. Die Union zeige seinem Land immer noch die kalte Schulter, obwohl die Türkei im Gegensatz zu den meisten EU-Staaten die Maastricht-Kriterien erfülle. Aber "der Tag wird kommen, da wird man uns anflehen beizutreten". Doch "am Ende des Tages werden wir entscheiden, ob wir beitreten wollen oder nicht".

"Die Türkei hat ein Recht auf einen EU-Beitritt und wird auf dieses Recht nicht verzichten" stellte er klar, dass die Türkei nicht daran denke, ihr Beitrittsgesuch zurückzuziehen. Offen sei aber, ob es bis zur Verwirklichung des Beitritts die EU und den Euro überhaupt noch geben wird. Man sehe ja, in welcher Lage die EU jetzt ist. "Die EU erntet, was sie gesät hat". Die Schuldenkrise in Griechenland sei ja nicht über Nacht gekommen. "Wo war die EU, als Griechenland dieses Geld ausgegeben hat? Waren die auf Urlaub? Sonnenbaden?" Hätte sich die EU doch lieber um Griechenland gekümmert als um die Türkei. Türkei-kritische Politiker wie Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy "sind inzwischen in Pension und gehen fischen."

Die Türkei habe ihre Verschuldung im abgelaufenen Jahrzehnt von 73 Prozent auf 39 Prozent reduziert. In der Krise sei keine Bank ins Strudeln geraten, die Schulden beim IWF seien auf 1,5 Mrd. Dollar (1,15 Mrd. Euro) reduziert worden. Schließlich sei das Land im Vorjahr um 8,5 Prozent gewachsen, während Europas Wirtschaft nur um 1,5 Prozent zugelegt habe. Wäre die Türkei Mitglied gewesen, wäre Europas Wirtschaft um 1,8 Prozent gewachsen, rechnete Caglayan vor. Warum dann die Türkei überhaupt noch beitreten wolle? "Wir werden die Europäer weiterhin ärgern. Es gibt Menschen, die wollen die EU in einen Christen-Club verwandeln und die Türkei draußen halten. Das lassen wir uns nicht gefallen."

Die Türkei bleibe als Handelspartner attraktiv, auch für Österreich. Im Vorjahr waren die Österreicher mit 2,3 Mrd. Euro stärkster Auslandsinvestor. Heuer lagen im Halbjahr nur die Briten voran. "Österreicher investieren, weil sie äußerst gescheit und vorausblickend sind", so Caglayan. Sie sehen die politische Verlässlichkeit und haben Vertrauen. So sicher wie das Amen im Gebet würden weitere Investitionen folgen. Vor einer Unterschrift könne man jedoch nichts Fixes sagen. Aber Investoren hätten keine Alternative zur Türkei. Im Zuge seines Wien Besuchs hat der Minister Gespräche mit den Chefs von voestalpine, OMV und Magna geführt.

Caglayan sieht die jüngst wieder aufgeflammten Kämpfe mit kurdischen Rebellen im Süd-Osten der Türkei als "Spiel von externen Kräften, die sich Sorgen machen, weil die Türkei so wächst und sich entwickelt. Die PKK ist deren Handlanger. Aber nichts, keine Gruppe von Banditen ist stärker als der türkische Staat".  Er selber komme aus dieser Region. "Ich bin kurdischer Herkunft. Ich bin der beste Beweis dafür, dass mein Land kurdische Bürger nicht anders behandelt. Der Staat hat nicht verhindert, dass ich Minister geworden bin."

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