Kriegsverbrechen

Völkermord an Bosniaken aus Rache an den "Türken"

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Militärchef der bosnischen Serben setzte seine Pläne rücksichtslos um.

Es sei die Zeit gekommen, sich an "den Türken" zu rächen, verkündete der Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, am 11. Juli 1995 bei seiner Ankunft in der Muslimenklave Srebrenica mit Blick auf die Geschichte des Balkans. Seine Truppen hatten die Kleinstadt eben erobert, obwohl sie zur UNO-Schutzzone erklärt worden war.

Was sich in den folgenden Tagen dort abspielte, war das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. In der Umgebung ermordeten die bosnisch-serbischen Truppen rund 8.000 muslimische (bosniakische) Männer und Buben. Srebrenica war ein Völkermord und ein Verbrechen gegen die gesamte Menschheit, stellte das UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien 2004 in einem ersten Urteil zu den Massakern fest.

Überzeugter Jugoslawe

Der Mann, der dafür federführend verantwortlich gemacht wird, wurde mitten im Zweiten Weltkrieg 1943 in eine Partisanenfamilie in Kalinovik südlich von Sarajevo geboren. Mladic schlug 1965 eine militärische Laufbahn bei den damaligen jugoslawischen Streitkräften ein. Jahrelang diente er in der Teilrepublik Mazedonien und durfte sich mit dem damals geschätzten Orden der Einheit und Brüderlichkeit schmücken. Dass der überzeugte Jugoslawe und Kommunist in späteren Jahren beim Zerfall Jugoslawiens zum Nationalisten wurde, ahnte zu dieser Zeit keiner.

Diesen Weg schlug Mladic erst im April 1992 ein, als er - zunächst noch als jugoslawischer Offizier - nach Bosnien versetzt wurde. Dort übernahm er das Kommando des Generalstabes der mithilfe Belgrads gebildeten bosnisch-serbischen Truppen. Sein Ziel im Bosnien-Krieg war seitdem ein Groß-Serbien, das alle von Serben bewohnten Gebiete umfasst.

Macht sie verrückt

Die Brutalität des Armeechefs kam nicht erst kurz vor Kriegsende beim Völkermord an den bosnischen Muslimen (Bosniaken) in Srebrenica zum Ausdruck. Schon zuvor hatte er seine Soldaten etwa zum unbarmherzigen Beschuss von Sarajevo, der über drei Jahre dauerte, angetrieben. "Macht sie verrückt", unterstrich er seinen Befehl damals.

Personen aus dem Umfeld Mladics berichteten nach dem Krieg aber von einer drastischen Wende im Verhalten des Militärs nach dem Tode seiner Tochter Ana. Die Medizinstudentin nahm sich im März 1994 nach einer Russland-Reise, auf der sie von Studienkollegen mit der Brutalität des laufenden Bosnien-Krieges konfrontiert worden war, das Leben. Nach dem persönlichen Verlust zeigte sich Mladic, passionierter Schach- und Mensch-ärgere-dich-nicht-Spieler sowie Blumenliebhaber, erst recht rücksichtslos bei der Durchsetzung seiner Kriegspläne.

Das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien erhob bereits 1995 Anklage gegen Mladic und den damaligen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic. Beide wurden erst Jahre später in Serbien festgenommen und an das Haager Gericht ausgeliefert.

Volksheld

Nach dem Krieg hatte Mladic zunächst noch jahrelang in seiner Belgrader Villa gelebt, zeigte sich bei Fußballspielen in der Öffentlichkeit und genoss den Status eines Volkshelden, ehe er um die Jahrtausendwende untertauchte. Wie erst dieser Tage durchsickerte, versteckte sich Mladic zwischen 2000 und 2003 auch in einer Belgrader Militärkaserne. Die serbischen Behörden bestritten dies damals energisch.

Der heute 74-Jährige soll während der Jahre auf der Flucht drei Schlaganfälle erlitten haben. Dennoch sorgte er im Laufe des Prozesses wiederholt mit nationalistischen Ausfällen für Eklats und musste aus dem Sitzungssaal entfernt werden. Ein Zeichen der Reue zeigte der General nie.
 

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