VSV schlägt Landeshauptmann Platter Verjährungsverzicht vor, um Klage zu vermeiden
Die Finanzprokuratur hat in der Causa Ischgl Rekurs gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG Wien), die klagsabweisenden Ersturteile aufzuheben und neu zu verhandeln, erhoben. Darin behauptet die Finanzprokuratur, dass Fehler der Tiroler Behörden nicht der Republik Österreich zurechenbar wären, sondern vielmehr nur das Land Tirol dafür verantwortlich wäre. Daher wären die gegen den Bund gerichteten Klagen abzuweisen.
Darüber informierte am Freitag der Verbraucherschutzverein (VSV). Aufgrund der neuen Verteidigungsstrategie der Finanzprokuratur, die der Anwalt des Staates ist, sehe sich der VSV genötigt, aus prozessualer Vorsicht nun auch zusätzlich das Land Tirol zu klagen, sagte VSV-Obmann Peter Kolba bei einer Pressekonferenz vor Beginn der ersten Verhandlung nach der Aufhebung der klagsabweisenden Ersturteile am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien.
Der VSV sehe die Frage aber anders als die Finanzprokuratur. "Wir und unsere Gutachter sehen das nicht so, und auch das OLG Wien nicht. Die Tiroler Behörden wurden im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig, daher haftet der Bund für deren Fehler," so Kolba.
VSV schlägt Verjährungsverzicht vor
"Um jedoch auf beiden Seiten sinnlose Geldausgaben zu vermeiden", habe er heute Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) vorgeschlagen, im Fall eines Verjährungsverzichtes des Landes Tirol bis zur Klärung der strittigen Rechtsfrage durch den Obersten Gerichtshof (OGH) mit einer Klage gegen das Land Tirol für die vom VSV vertretenen Geschädigten vorerst zuzuwarten. Im Fall eines Verjährungsverzichtes des Landes Tirol könnte man in Ruhe abwarten, bis eine gerichtliche Entscheidung zur Haftung des Bundes rechtskräftig wird. Steht sodann fest, dass der Bund haftet, würde sich eine Klage gegen Tirol endgültig erübrigen.
Als schweren Fehler im Fall Ischgl sieht Kolba unter anderem eine "nachweislich falsche Medieninformation des Landes Tirol vom 5.3.2020, in der wider besseres Wissen" behauptet wordne sei, in Ischgl infizierte Touristen hätten sich erst auf der Heimreise mit dem Corona-Virus angesteckt. Die Presseaussendung habe der Beruhigung gedient und habe Berichterstattung verhindern sollen. "Und das ist gelungen. Es wurde nicht berichtet", so Kolba.
Anwalt Alexander Klauser kündigte an, dass der VSV erstmals auch gegen einen prominenten Hotelier aus Ischgl Klage einreichen habe. Die Klägerin war Gast in dem Hotel und hat sich vor der Anreise im Jahr 2020 explizit im Hotel erkundigt, ob alles ok sei und das Hotel habe "wider besseres Wissen erklärt, dass es in Ischgl keine Probleme mit Covid-19 gäbe". Die Anfrage sei am 8. März gewesen, fünf Tage nachdem schon bekannt gewesen sei, dass Isländer in Ischgl an Corona erkrankt waren.
Der VSV bringt in der Causa zudem weitere Einzelklagen für Rechtsschutzversicherte ein sowie eine Sammelklage für jene, die keine Rechtsschutzversicherung haben. Diese werde von einem Prozessfinanzier unterstützt, sodass die Geschädigten kein Kostenrisiko treffe, berichtete Kolber.
Kolbas Nachfolgerin Daniela Holzinger-Vogtenhuber forderte von der Republik einen Runden Tisch, an dem über die Höhe der Ansprüche verhandelt werden solle. Die Summe der Ansprüche werde voraussichtlich zehn Mio. Euro nicht übersteigen. "Diesen Betrag erzielt der Tourismus in Ischgl in einer Winter-Sportwoche", so Holzinger-Vogtenhuber.